Chronik.Ereignis1033 Feldzug Raschtulswall 12: Unterschied zwischen den Versionen
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Erst, als sie sich mühsam aufgerichtet, den Rucksack hochgezogen und das Seil losgeschnitten hatte, sah sie sich um. Hier war kein Weg! Vor ihr erstreckte sich ein verschneites Geröllfeld. Alles sah gleich aus. Es gab nichts, was sie von ihrem nächtlichen Aufstieg wiedererkannte. Sie wusste nicht, wohin sie sich wenden sollte. Richeza fluchte leise. Sie musste runter von diesem Berg. So schnell wie möglich. Aber wie, wusste sie nicht. Orientierungslos stolperte sie über die rutschigen Steine voran. Ihre tauben Füße gehorchten ihr kaum. Mehrmals rutschte sie ab. Verflucht, was hatte sie nur getan? Für wen lebte sie eigentlich ihr Leben? | Erst, als sie sich mühsam aufgerichtet, den Rucksack hochgezogen und das Seil losgeschnitten hatte, sah sie sich um. Hier war kein Weg! Vor ihr erstreckte sich ein verschneites Geröllfeld. Alles sah gleich aus. Es gab nichts, was sie von ihrem nächtlichen Aufstieg wiedererkannte. Sie wusste nicht, wohin sie sich wenden sollte. Richeza fluchte leise. Sie musste runter von diesem Berg. So schnell wie möglich. Aber wie, wusste sie nicht. Orientierungslos stolperte sie über die rutschigen Steine voran. Ihre tauben Füße gehorchten ihr kaum. Mehrmals rutschte sie ab. Verflucht, was hatte sie nur getan? Für wen lebte sie eigentlich ihr Leben? | ||
Endlich hörte der Schnee auf, der Boden wurde wieder fester. Wärmer wurde es jedoch nicht. Der Wind war kalt, die Wolken inzwischen zu allen Seiten. Allein die Helligkeit ließ darauf schließen, dass die Sonne bereits über die Berggipfel gestiegen war. | Endlich hörte der Schnee auf, der Boden wurde wieder fester. Wärmer wurde es jedoch nicht. Der Wind war kalt, die Wolken waren inzwischen zu allen Seiten. Allein die Helligkeit ließ darauf schließen, dass die Sonne bereits über die Berggipfel gestiegen war. | ||
Sie wusste nicht, wieviel Zeit vergangen war, als sie unter sich den Weg erblickte, einen staubigen Pfad, der sich zwischen Felsklippen hindurch wand. Doch ohne zu klettern, würde sie ihn nicht erreichen. Zum Klettern aber war sie zu schwach. Es blieb Richeza nichts anderes übrig, als ihr Seil zu opfern – oder einen Umweg in Kauf zu nehmen. Das aber wollte sie auf keinen Fall. | Sie wusste nicht, wieviel Zeit vergangen war, als sie unter sich den Weg erblickte, einen staubigen Pfad, der sich zwischen Felsklippen hindurch wand. Doch ohne zu klettern, würde sie ihn nicht erreichen. Zum Klettern aber war sie zu schwach. Es blieb Richeza nichts anderes übrig, als ihr Seil zu opfern – oder einen Umweg in Kauf zu nehmen. Das aber wollte sie auf keinen Fall. | ||
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Schweren Herzens band die Edle ihr Seil an einem Felsen fest, befestigte es an ihrem Gürtel und machte sich an den Abstieg. Ihre Hände und Füße fanden kaum Halt; einmal trat sie daneben; das Seil glitt durch ihre Finger, ohne die Handschuhe hätte es ihr die Haut von den Händen gerissen. | Schweren Herzens band die Edle ihr Seil an einem Felsen fest, befestigte es an ihrem Gürtel und machte sich an den Abstieg. Ihre Hände und Füße fanden kaum Halt; einmal trat sie daneben; das Seil glitt durch ihre Finger, ohne die Handschuhe hätte es ihr die Haut von den Händen gerissen. | ||
Als sie den Weg erreichte, raste ihr Herz, und ihre Knie zitterten so sehr, dass sie sich setzen musste. Schwindelnd lehnte sie sich an den kalten Stein. Wer würde ihr ihren Irrsinn je danken? Was hatte sie schon für Almada getan, wann immer sie ihre Klinge fürs Vaterland gehoben hatte? Ein paar Ferkinas ins Jenseits geschickt, ein paar Novadis ermordet und ein paar Garethknechte ... Und wer hatte es ihr gedankt? Niemand, der noch lebte? Und jetzt? Wen wollte sie jetzt beeindrucken? Ihre Tante, die vielleicht tot war? Praiodor, der nur ein Kind war? Fenia, die sich erst seit Ramiros | Als sie den Weg erreichte, raste ihr Herz, und ihre Knie zitterten so sehr, dass sie sich setzen musste. Schwindelnd lehnte sie sich an den kalten Stein. Wer würde ihr ihren Irrsinn je danken? Was hatte sie schon für Almada getan, wann immer sie ihre Klinge fürs Vaterland gehoben hatte? Ein paar Ferkinas ins Jenseits geschickt, ein paar Novadis ermordet und ein paar Garethknechte ... Und wer hatte es ihr gedankt? Niemand, der noch lebte? Und jetzt? Wen wollte sie jetzt beeindrucken? Ihre Tante, die vielleicht tot war? Praiodor, der nur ein Kind war? Fenia, die sich erst seit Ramiros Tod überhaupt bequemte, mit ihr zu reden? War es Dank, den sie erhoffte? Ruhm? Was sollte das alles? | ||
Ärgerlich rappelte Richeza sich auf und reckte sich, um wenigstens noch ein Stück des Seils loszuschneiden. Besser als nichts. Wer wusste, ob sie es nicht noch brauchte? Wenn sie das alles hier überlebte, musste sie aufhören, davonzulaufen. Sie konnte sich nicht länger etwas vormachen: Sie lebte nicht für selbstgesetzte Ziele. Lief nur der Furcht davon. Und wartete noch immer ... Damit musste Schluss sein! Mit zusammengepressten Zähnen lief sie weiter. Keine Zeit zum Nachdenken. Keine Kraft. Erst einmal musste sie überhaupt überleben. | Ärgerlich rappelte Richeza sich auf und reckte sich, um wenigstens noch ein Stück des Seils loszuschneiden. Besser als nichts. Wer wusste, ob sie es nicht noch brauchte? Wenn sie das alles hier überlebte, musste sie aufhören, davonzulaufen. Sie konnte sich nicht länger etwas vormachen: Sie lebte nicht für selbstgesetzte Ziele. Lief nur der Furcht davon. Und wartete noch immer ... Damit musste Schluss sein! Mit zusammengepressten Zähnen lief sie weiter. Keine Zeit zum Nachdenken. Keine Kraft. Erst einmal musste sie überhaupt überleben. | ||
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Ob es schon Mittag war? Allmählich knurrte ihr Magen. Sie hatte kaum etwas gegessen. Im Gehen zog die Edle das Brot hervor. Inzwischen war es getaut und matschig, ein nasser, kühler Brei, der nach dem Leder des Rucksacks schmeckte. Richeza würgte ihn hinunter, bis zum letzten Bissen. Sie hatte Hunger, und das Brot würde ohnehin verderben, wenn sie es jetzt nicht aß. | Ob es schon Mittag war? Allmählich knurrte ihr Magen. Sie hatte kaum etwas gegessen. Im Gehen zog die Edle das Brot hervor. Inzwischen war es getaut und matschig, ein nasser, kühler Brei, der nach dem Leder des Rucksacks schmeckte. Richeza würgte ihn hinunter, bis zum letzten Bissen. Sie hatte Hunger, und das Brot würde ohnehin verderben, wenn sie es jetzt nicht aß. | ||
Ihre Beine waren ein echtes Ärgernis. Noch immer spürte sie ihre Füße kaum, nur wenn sie umknickte, weil sie die Unebenheiten des Bodens nicht vorausahnte, schoss kurz ein heller Schmerz in ihren Knöchel, ließ aber bald nur ein dumpfes Pochen zurück. Ihren Körper aber schwächte jeder Fehltritt wie ein Säbelhieb, und | Ihre Beine waren ein echtes Ärgernis. Noch immer spürte sie ihre Füße kaum, nur wenn sie umknickte, weil sie die Unebenheiten des Bodens nicht vorausahnte, schoss kurz ein heller Schmerz in ihren Knöchel, ließ aber bald nur ein dumpfes Pochen zurück. Ihren Körper aber schwächte jeder Fehltritt wie ein Säbelhieb, und ihre Beine versagten ihr immer öfter den Dienst. Sie strauchelte, stolperte, taumelte voran. Schließlich musste sie sich eingestehen, dass sie nicht mehr weiterkonnte. Sie musste eine Pause machen! Dort, an dem Felsblock am Wegesrand, da wollte sie rasten. Nein, besser doch erst nach der Biegung, vielleicht war es dort windgeschützter. Aber war da vorne nicht eine Abzweigung? Nur noch ... | ||
Nur ein Stein, ein winziges Hindernis, und sie schlug der Länge nach hin. | Nur ein Stein, ein winziges Hindernis, und sie schlug der Länge nach hin. | ||
Sie musste das Bewusstsein verloren haben. Als sie die Augen öffnete, sah sie Füße. Füße in abgetragenen Lederstiefeln. Den Saum eines geflickten Umhangs. Alarmiert hob sie den Kopf. Ein Ferkina? Ihr Schädel dröhnte. Sie blinzelte gegen das Licht. Ein Mann in einem dunklen Umhang, in der Hand einen knorrigen Stecken. | Sie musste das Bewusstsein verloren haben. Als sie die Augen öffnete, sah sie Füße. Füße in abgetragenen Lederstiefeln. Den Saum eines geflickten Umhangs. Alarmiert hob sie den Kopf. Ein Ferkina? Ihr Schädel dröhnte. Sie blinzelte gegen das Licht. Ein Mann in einem dunklen Umhang, in der Hand einen knorrigen Stecken. Unter der weiten Kapuze zerrte der Wind blondes Haar hervor. Kein Ferkina. Nicht einmal ein Mann. Ein junger Bursche. Vielleicht sechzehn Sommer. Ein hübsches Gesicht mit hohen Wangenknochen. Die Augen glommen im Dunkel der Kapuze. | ||
Grob stieß der Junge sie mit dem Fuß gegen die Schulter, rollte sie auf den Rücken. Als sie nach ihrem Säbel tastete, rammte er ihr den Stab in die Hand. Ein dünnes Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab. | Grob stieß der Junge sie mit dem Fuß gegen die Schulter, rollte sie auf den Rücken. Als sie nach ihrem Säbel tastete, rammte er ihr den Stab in die Hand. Ein dünnes Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab. | ||
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Gendahar zwinkerte Zaida verschwörerisch zu und bedeutete ihr in der Mitte vor ihm herzugehen. "Keine Angst! Wir sind schon so weit oben, es kann nicht mehr weit bis zum | Gendahar zwinkerte Zaida verschwörerisch zu und bedeutete ihr in der Mitte vor ihm herzugehen. "Keine Angst! Wir sind schon so weit oben, es kann nicht mehr weit bis zum | ||
Gipfel sein." | Gipfel sein." | ||
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]] | |||
"Sieh an, die Zungenklafferin!", sagte der Bursche. "Hat ihr Schandmaul nicht halten können. Und jetzt kommt sie mir zu Füßen gekrochen. Was für ein Zufall!" Ein abfälliges Grinsen verzerrte die Lippen des jungen Mannes. | |||
"Wer bist du?", stöhnte Richeza, der er fast die Hand gebrochen hatte. "Du musst mich verwechseln." | |||
Der Junge starrte die Edle finster an. Obwohl sein Gesicht im Schatten lag, konnte sie seine Augen erkennen. Fast, als leuchteten sie von sich aus. Etwas stimmte nicht mit dem Burschen. | |||
"So", sagte der nach einem Moment. "Da gibt sie vor, mich nicht zu kennen und spricht mich gleich vertraulich an. Ganz wie Ihr wünscht. Wie ''du'' wünschst, Miststück. Aufstehen!" Er versetzte ihr einen Tritt. | |||
Richeza rappelte sich auf, allein schon, um nicht länger auf dem kalten Boden liegen zu müssen, zumal es erneut zu schneien begann. Irritiert betrachtete sie den jungen Mann. Spielten ihr ihre Sinne einen Streich? Unwillkürlich fasste sie sich an den Kopf. Ihr Gesicht war ziemlich lädiert, dort wo es auf den Boden aufgeschlagen war. Eine dicke Beule wölbte sich an ihrer Stirn. | |||
"Das hat mein Vater Euch ... dir nie verziehen, dass du meinen Namen verraten hast. Es war unser Geheimnis, verstehst du? Wir haben dich nicht für so dumm gehalten, Geheimnisse zu verraten. Aber da haben wir uns wohl getäuscht. Nun, sei es drum: Wenn wir nicht Freunde sein können, wirst du mir eben dienen." | |||
Ungehalten runzelte Richeza die Stirn. Was bildete der Kerl sich ein? Und wer war er überhaupt? Ein Teil von ihr aber wähnte ihn noch immer ein Trugbild ihres müden Geistes. Das konnte doch nicht sein, dass sie all die Mühen im Raschtulswall auf sich genommen hatte, nur um von einem Knäblein beschimpft zu werden! Sie musste träumen. | |||
"Hör zu", seufzte sie, sich bewusst, dass es nur um so irrer war, mit einer Traumgestalt zu sprechen, "ich kenne dich nicht. Und deine Geheimnisse sind mir gleich. Aber wenn du meine Freundschaft willst, so gewinnst du sie gewiss nicht durch kecke Reden. Wenn du mir aber helfen magst ..." | |||
"Weder will ich deine Freundschaft, noch dir helfen", unterbrach sie der Junge barsch. "Du hast mich falsch verstanden", erklärte er mit hochmütigem Grinsen. "Du wirst mir dienen, solange du mir von Nutzen bist. Und dann wirst du schweigen ..." | |||
Er stockte und hob kurz den Kopf. Richeza nutzte die Gelegenheit und zog den Säbel. Doch der Bursche war schnell, und sein Stab traf ihren Brustpanzer mit einer solchen Wucht, dass sie durch die Luft geschleudert wurde und krachend zwischen einigen Felsen zu Boden fiel. Der Säbel flog aus ihrer Hand und blieb in einer Felsspalte stecken. Es musste ein Traum sein, dachte die Edle benommen, kein Mensch hatte eine solche Kraft ... | |||
Der Junge kletterte zu ihr und kauerte sich neben sie zwischen die Felsen. Stimmen. Da waren Stimmen im Nebel. Richeza versuchte, den Kopf zu heben, aber sie konnte sich nicht bewegen. Alles drehte sich um sie herum. Sie schmeckte Blut auf ihren Lippen. Jemand näherte sich auf dem Weg. Der junge Mann legte ihr die Hand auf den Mund. Sie bekam kaum Luft. Drei Menschen wankten in ihr Gesichtsfeld. Traumgestalten. Sie standen auf dem Kopf. Ihre Füße bewegten sich über die Steine, aber alles war verkehrt herum. Einer war blond und groß, hielt ein Mädchen an der Hand, kaum jünger als der Bursche, der ihr den Mund zudrückte. Der andere war ... | |||
"Mmm ...", machte Richeza. Ihr tonloser Seufzer erstickte zwischen den Fingern des jungen Mannes. Die Gestalten zogen vorüber. Der Junge nahm seine Hand fort und hob sie auf seine Arme. Kies knirschte überlaut unter seinen Füßen. Sein Ächzen donnerte der Edlen in den Ohren. Er flüsterte etwas - ein zischender Schmerz in ihrem Schädel. Im nächsten Moment war alles im Nebel versunken. Stille. Richeza fror. Dann wurde es schwarz um sie. | |||
*''Die Geschichte um Domna Richeza wird hier fortgesetzt: [[Chronik.Ereignis1033 Feldzug Ferkinalager 04|Schauplatz: Ferkinalager, Teil 04]].'' | |||
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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]] | |||
Schwitzend und frierend zugleich, blickte sich Moritatio nach Zaida und Gendahar um, die ihm gemäß den aufgestellten Kletterregeln ihrer Seilschaft | |||
mit fünf beziehungsweise zehn Schritt Abstand nachfolgten. Der An- und Ausblick war grandios! Sie waren nun oberhalb des Wolkenfluges, die weißgrauen Wolken | |||
breiteten sich hundert Schritt unter ihnen im Norden und Osten wie eine geschlossene Decke bis zum Horizont aus - als ob die ganze Welt nur aus einem | |||
grauweißen Meer aus Watte bestünde, aus dem die Gipfel der höchsten Berggiganten des Raschtulswalls wie Inseln aufragten. Vor und über ihnen aber erhoben | |||
sich die fünf schroffen Gipfelzacken des Djer Kalkarif leuchtend im Praioslicht in den stahlblauen Himmel. | |||
"Die Gipfel! Wir sind fast oben!", deutete Moritatio, überwältigt von der Schönheit dieses Augenblicks und voller Ehrfurcht vor dem Schöpfungswerk der Götter, | |||
auf die bizarren Felsen. Als Zaida und Gendahar zu ihm aufgeschlossen hatten und sie alle einen Moment niederknieten, um Atem zu holen und | |||
das Panorama auf sich wirken zu lassen, stellte er leiser fest: "Richeza ist nicht dort oben und sie ist uns auch nirgendwo begegnet. Entweder sie hat es in | |||
der Nacht nicht auf den Gipfel geschafft und ist abgestürzt, oder sie hat bei dem Nebel den Abstieg nicht mehr gefunden und ist irgendwo anders herabgestiegen. | |||
Ich hätte sie nicht alleine gehen lassen sollen, verflucht!" | |||
Er wartete, daß ihn die kleine Waldwachterin oder der Thangolforster beschwichtigten oder ihm zumindest zustimmten - aber als von ihrer Seite aus keinerlei Erwiderung | |||
kam, wandte er sich zu den zweien um, die beide nach unten, nach Westen starrten. | |||
"Was ist?" | |||
"Da unten!", deutete Dom Gendahar auf ein größeres Felsplateau, etwa eine Meile weiter unten am Steilhang des Djer Kalkarif. "Sind das Zelte - primitive Zelte? Das was | |||
zwischen ihnen herumwuselt scheinen mir Ziegen oder vielleicht auch kleine Pferde zu sein. Und da! Da treten Menschen aus dem einen Zelt!" | |||
"Blutsäufer!", berichtigte Moritatio. "Es ist wirklich ein Lager - das ... äh, 'Dorf' eines Ferkina-Stammes! Mögen die guten Götter geben, daß ihnen Richeza nicht in die | |||
Hände gefallen ist ... und auch, daß sie uns nicht entdecken!" | |||
Dom Gendahar schien anders über die Sache zu denken, denn er begann zu lächeln: "Gut, daß wir diesen Wildenpfuhl gefunden haben. Möglicherweise wird Romina genau hier | |||
gefangengehalten." | |||
Moritatio schüttelte den Kopf: "Wenn ja, dann bestünde kaum Hoffnung, daß sie noch am Leben ist. Was glaubt Ihr, wie diese Barbaren mit weiblichen Gefangenen umspringen? | |||
Meine Mutter war ihnen als junges Mädchen in die Hände gefallen - sie hat mit mir niemals ein einziges Wort über ihre Zeit bei den Wilden gesprochen - aber ich konnte | |||
spüren, daß ihr allein die Erinnerung an diese Zeit bis zuletzt Qualen und Schmerz und Wut bereitete." | |||
Er wischte sich mit dem Ärmel über seine feuchten Augen. | |||
"Wir müssen Richeza finden, bevor sie die Wilden dort unten finden! Das ist mir jetzt - bei allem Respekt vor Eurer Verwandtschaft - ein dutzend Mal wichtiger, wie unsere entführte Grafentochter oder einen verschollenen Edelknaben mit seiner Mutter zu erretten. Schließlich hat Richeza alles für diese Personen riskiert." | |||
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'''Autor:''' [[Benutzer:Simanca|Simanca]] | |||
Die letzten Tage waren weit anstrengender gewesen, als sich Zaida hatte ausmalen wollen. In den Geschichten wurde nie von eiskalten Zehen, klammer Kleidung oder dem Gefühl der Verzweiflung berichtet, die einen befallen wollte, wenn man scheinbar sinnlos im Nichts herumirrte, während die Hoffnung auf ein Lebenszeichen der gesuchten Menschen immer mehr zu schwinden schien. Aber dann wären die Geschichten wohl auch nur halb so spannend - und wer konnte sich solche Unbill schon vorstellen, wenn er in eine warme Decke gekuschelt neben dem wärmenden Herd einer Abenteuergeschichte lauschte? | |||
Sie riss sich aus den Gedanken los und sah auf das kleine Zeltlager – Dorf, wie Dom Moritatio es bezeichnete. Es war ein erster kleiner Lichtblick. Vielleicht war Domna Romina wirklich dort unten. Vielleicht … hoffentlich! Oder besser nicht, wenn sie Dom Moritatios Ausführungen über die Ferkinas bedachte. Fast wollte ihr der Mut wieder verzagen. Also rasch den Mund aufgemacht, bevor sie wieder in diesen grauen Trott verfiel, der sich ihrer die letzten Tage bemächtigte. | |||
„Aber Dom … das Dorf liegt so nahe unseres Weges, und Domna Richeza ist uns genau hier auf dem Berg verloren gegangen. Ich mag nicht glauben, dass sie im Nebel an uns vorbeigewandert ist. Und Ihr mögt Euch sicher nicht vorstellen, dass sie im Nebel abgestürzt sei." Sie nickte zu dem Dorf hin. „Ihr sagt selbst, dass sie mit … weiblichen Gefangenen nicht gut umspringen. Was, wenn die Wilden sie schon gefunden und gefangen genommen haben? Unser Weg hat uns hierhergeführt, durch Phexens Nebel, mag das nicht ein Fingerzeig gewesen sein? Vielleicht finden wir dort unten ja Domna Richeza ''und'' Domna Romina?" Hoffnungsvoll sah sie ihn unter den wirren Locken hervor an. „Können wir nicht wenigstens ein klein wenig näher an das Dorf heran? Vielleicht erkenne ich ja einen der Ferkinas oder irgendwelche Stammeszeichen oder so etwas, sodass ich sagen kann, ob das die sind, die Domna Romina entführt haben?" | |||
Sie griff nach Dom Gendahars Hand und sah auch ihn bittend an. „Das ist der erste Fingerzeig, den wir haben, wir können jetzt doch nicht einfach dran vorbeigehen?" | |||
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'''Autor:''' [[Benutzer: Ancuiras|Ancuiras]] | |||
"Zaida hat recht", sagte Dom Gendahar nach einem langen Augenblick der Stille. "Es macht kaum Sinn, durch die Wildnis zu stapfen, in der vagen Hoffnung, Domna Richeza über den Weg zu laufen. Wenn sie nicht der feindlichen Natur dieser Berge zum Opfer gefallen ist, dann diesen Wilden da unten. Ich weiß gar nicht, was ich mir lieber wünschen soll. Eure düsteren Geschichten, Dom Moritatio, sind jedenfalls nicht hilfreich. Wir können nur zu den Zwölfen beten, dass sie noch wohlauf ist." Sein Blick wurde finster. "Das Gleiche gilt für Romina. Sie könnte auch dort unten sein. Ich sehe keinen anderen Weg, mehr über das Schicksal der beiden herauszufinden, als näher heranzuschleichen, sobald es dunkler geworden ist." | |||
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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]] | |||
Moritatio blickte Zaida und Gendahar skeptisch an und schaute dann noch einmal zu dem Ferkina-Lager knapp tausend Schritt unterhalb von ihnen am Hang des Djer Kalkarif herab. "Wenn sie uns entdecken, droht uns ein furchtbares Ende. Aber ich stimme Euch zu, daß Richeza und Eure Nichte dort gefangengehalten werden könnten. Oder wenn nicht sie, dann vielleicht zumindest das Knäblein, das wir suchen." Er strich sich grübelnd über seine hier in der Wildnis wild spriessenden Bartstoppeln am Kinn. "Andererseits widerstrebt es mir, nicht nach Richeza zu suchen, die uns bei ihrem Abstieg vielleicht einfach verfehlt hat und nun drunten an unserem Nachtlager in größter Sorge ist, da sie ja umgekehrt denken muss, uns sei etwas zugestoßen. Ich schlage deshalb folgendes vor: Ihr und Zaida klettert vorsichtig bis zu diesem Plateau dort unten. Das dürfte etwa eine halbe Meile von hier sein und es gibt viele Felsen, die Euch Deckung bieten können. Von dort aus, behaltet Ihr das Wildenlager im Auge. Ich steige nochmals auf der Rückseite des Berges herab, die wir heraufgekommen sind und suche nach Richeza. Ob mit ihr oder ohne sie - wir treffen uns dann vor Einbruch der Dunkelheit auf dem besagten Plateau. Um dorthin zu gelangen, muss ja glücklicherweise nicht mehr den ganzen Berg hinaufkraxeln. Phexseidank beginnt sich der Nebel auch langsam zu lichten. Die Gipfel dort hinten liegen bereits im strahlenden Praiosschein." | |||
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'''Autor:''' [[Benutzer: Ancuiras|Ancuiras]] | |||
"Das ist Irrsinn", wandte der Thangolforster ein. "Wir sollten uns nicht nochmals trennen. Schlimm genug, dass Domna Richeza allein auf den Berg geklettert ist - wenn sie überhaupt so wiet gekommen ist." Unschlüssig starrte er zu dem Ferkinadorf hinab. Ob dort wirklich mehr über Richezas Schicksal zu erfahren war? Es konnte sein - aber genauso konnte diese Närrin aus Scheffelstein allein durch die Wildnis laufen, vom Nebel auf falsche Wege geführt. Vielleicht war sie tatsächlich auf dem Weg zu ihrem Nachtlager, in der Hoffnung ihre Gefährten wieder zu finden. Oder die Ferkinas hatten sie doch erwischt und waren gerade dabei... | |||
"Verdammt, dieses Weibsbild!" Er fuhr sich durch die Haare. "Nun gut, wir unternehmen gemeinsam einen letzten Versuch und laufen zum letzten Nachtlager zurück. Wenn sie dort nicht ist, dann werden die Wilden sie wohl haben, genau wie..." Er brachte den Satz nicht zuende, sondern sprang auf und zog dann Zaida wieder auf die Beine. "Los, wir haben keine Zeit zu verlieren." | |||
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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]] | |||
Moritatio mißbilligte wie dieser dahergelaufene Yaquirtaler von seiner schönen Base sprach. Er schalt sich selbst einen Narren, das er sich überhaupt Richezas Befehl gebeugt hatte und sie alleine von dannen hatte ziehen lassen, um in der Gesellschaft dieses von sich selbst eingenommenen Mannes und des stillen Waldwachter Kindes zurückzubleiben, die ihm beide im Grunde genommen vollkommen gleichgültig waren. Er musste endlich lernen, auf sein eigenes Herz, sein Bauchgefühl oder seinen Verstand zu hören und sich weniger um die Weisungen anderer Leute zu scheren. Immerhin war er ein erwachsener Mann und konnte nicht ewig der Befehlsempfänger seiner Mutter, des Militärs oder jeder anderen Autorität bleiben, die gerade seinen Weg kreuzte und glaubte ihn herumkommandieren zu können. <br> | |||
"Nein!" antwortete er deshalb auf Gendahars Entschluß. "Wir werden nicht genau denselben Weg, sondern eine etwas andere Route nach unten nehmen. Wenn wir Richeza nicht finden, so vielleicht doch zumindest eine Spur von ihr, was bei dem frischgefallenen Schnee durchaus möglich sein sollte. Wenn Praios' aber weiter so scheint, wird dieser schon bald wieder wegschmelzen und dann wird es ungleich schwieriger."<br> | |||
Er deutete auf einige grün-silberne Glitzerflächen weiter unten am Berg, auf der vom Ferkinalager abgewandten Seite. "Und dabei schlage ich vor, wir klettern ''daran'' vorbei. Wenn mich nicht alles täuscht, | |||
sind das kleine Gebirgsseen. Und da sie nicht zugefroren und zugeschneit sind, halte ich es durchaus für denkbar, daß dies die heißen Quellen sind, wie man sie in der Nachbarschaft von Vulkanen häufiger findet | |||
und nach denen Ihr mich gefragt habt, Dom Gendahar. Wie gesagt, ich erinnere mich dunkel aus meiner Kindheit, daß es solche am Djer Kalkarif gab und dort könnt Ihr dann - wenn Ihr weiterhin partout darauf | |||
besteht und nichts anderes dahintersteckt - kurz ein linderndes Bad nehmen, nach dem es Euch gelüstete." <br> | |||
Er achtete darauf. daß Zaida und Gendahar wieder den Sicherheitsabstand ihrer Seilschaft einhielten und begann dann mit dem Abstieg - geradewegs auf die glitzernden Seen zu. | |||
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