Chronik.Ereignis1036 Besuch im Vanyadâl 01: Unterschied zwischen den Versionen

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===Auf dem [[Castillo da Vanya]] im [[Vanyadâl]]===
===Auf dem [[Castillo da Vanya]] im [[Vanyadâl]]===


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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
Richeza von Scheffelstein y da Vanya ließ sich langsam auf dem Stuhl nieder. Falls sie überrascht war von der direkten Ansprache ihrer Tante, ließ sie es sich nicht anmerken. Mit der Linken strich sie sich über das bleiche, etwas aufgedunsene Gesicht, griff nach dem Weinbecher, hob ihn an, ließ ihn dann aber unverrichteter Dinge wieder sinken und drehte ihn zwischen ihren Fingern.
Richeza von Scheffelstein y da Vanya ließ sich langsam auf dem Stuhl nieder. Falls sie überrascht war von der direkten Ansprache ihrer Tante, ließ sie es sich nicht anmerken. Mit der Linken strich sie sich über das bleiche, etwas aufgedunsene Gesicht, griff nach dem Weinbecher, hob ihn an, ließ ihn dann aber unverrichteter Dinge wieder sinken und drehte ihn zwischen ihren Fingern.


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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]]
"Ha! Solche Worte gefallen mir! Gut gesprochen, mein Kind!", nickte Rifada anerkennend, deutete dann aber mit verbissener Miene auf ihr linkes Bein, das sie unter dem Tisch auf einem dreibeinigen Schemel hochgelegt hatte. "Ich fürchte nur, die Zeit hat deiner alten Tante einen Strich durch die Rechnung gemacht, dir im Kampfe noch irgendetwas beibringen zu können, es sei denn, wir würden auf dem Pferderücken streiten – da bin ich nach wie vor ganz die Alte!"  
"Ha! Solche Worte gefallen mir! Gut gesprochen, mein Kind!", nickte Rifada anerkennend, deutete dann aber mit verbissener Miene auf ihr linkes Bein, das sie unter dem Tisch auf einem dreibeinigen Schemel hochgelegt hatte. "Ich fürchte nur, die Zeit hat deiner alten Tante einen Strich durch die Rechnung gemacht, dir im Kampfe noch irgendetwas beibringen zu können, es sei denn, wir würden auf dem Pferderücken streiten – da bin ich nach wie vor ganz die Alte!"  


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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
Mit unbewegter Miene sah die Landedle von Eslamsstolz auf das versehrte Bein der Vanyadâlerin, ihr Gesicht glich einem verschlossenen Buch, gab nichts von seinen Geheimnissen preis. "Ihr könnt nicht kämpfen", bemerkte sie trocken. "Außer zu Pferd?"
Mit unbewegter Miene sah die Landedle von Eslamsstolz auf das versehrte Bein der Vanyadâlerin, ihr Gesicht glich einem verschlossenen Buch, gab nichts von seinen Geheimnissen preis. "Ihr könnt nicht kämpfen", bemerkte sie trocken. "Außer zu Pferd?"


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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]]
"Ich ''kann'' kämpfen – nach wie vor!", stellte Rifada unwirsch klar. "Ich bin nicht mehr so schnell wie früher – aber immer noch schnell genug, um jedem Speichellecker des Goldfasses tüchtig das Fell zu gerben!" Etwas leiser fuhr sie fort: "Nur um dich zu unterrichten, fehlt mir die Gewandtheit – aber unser Hab und Gut zurückzuholen, das wird mir schnell neue Kräfte und neuen Schneid verleihen. Ich tauge nicht für die Rolle des Jammerlappens in unserem Hause!"
"Ich ''kann'' kämpfen – nach wie vor!", stellte Rifada unwirsch klar. "Ich bin nicht mehr so schnell wie früher – aber immer noch schnell genug, um jedem Speichellecker des Goldfasses tüchtig das Fell zu gerben!" Etwas leiser fuhr sie fort: "Nur um dich zu unterrichten, fehlt mir die Gewandtheit – aber unser Hab und Gut zurückzuholen, das wird mir schnell neue Kräfte und neuen Schneid verleihen. Ich tauge nicht für die Rolle des Jammerlappens in unserem Hause!"


Sie musterte Richeza mit zusammengekniffenen Augen, die wie ein nervöser Berglöwe im Raum auf- und ab marschierte. Nach einem kurzen Moment des Schweigens, als ihre Nichte zu ihr herüber sah, fuhr sie fort: "Hm, irgendetwas anderes drückt doch auch dir aufs Gemüt! Ehe wir also über Selaque reden – was führt dich wirklich zu uns?"  
Sie musterte Richeza mit zusammengekniffenen Augen, die wie ein nervöser Berglöwe im Raum auf- und ab marschierte. Nach einem kurzen Moment des Schweigens, als ihre Nichte zu ihr herüber sah, fuhr sie fort: "Hm, irgendetwas anderes drückt doch auch dir aufs Gemüt! Ehe wir also über Selaque reden – was führt dich wirklich zu uns?"  


Unten im Burghof begann in diesem Augenblick ein Hund zu heulen, vermutlich Raffzahn, dessen Geheule und Gefipse Rifadas letzte Worte fast übertönten. Mit einer Geschwindigkeit, die Richeza doch überraschte und die ihre letzten Worte Lügen strafte, war Rifada aufgesprungen und hatte das schmale Fenster der Kammer aufgerissen.
Unten im Burghof begann in diesem Augenblick ein Hund zu heulen, vermutlich [[Raffzahn]], dessen Geheule und Gefipse Rifadas letzte Worte fast übertönten. Mit einer Geschwindigkeit, die Richeza doch überraschte und die ihre letzten Worte Lügen strafte, war Rifada aufgesprungen und hatte das schmale Fenster der Kammer aufgerissen.


Ihr gebrülltes: "HAAAAAAAALLLLLT'S MAUL!!!" ließ den Hund im Burghof auf der Stelle verstummen.  
Ihr gebrülltes: "HAAAAAAAALLLLLT'S MAUL!!!" ließ den Hund im Burghof auf der Stelle verstummen.  
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
Richeza von Scheffelstein y da Vanya sah ihre Tante unverwandt an. "Ihr ''wollt'' mich also nicht unterrichten? Das ist schade. Ich denke, ich könnte noch einiges von Euch lernen. Zu Pferd vielleicht?" Sie blickte an der Junkerin vorbei in den Burghof, in dem der große, schwarzgraue Hund sich träge vor einem der Türme niederließ.
Richeza von Scheffelstein y da Vanya sah ihre Tante unverwandt an. "Ihr ''wollt'' mich also nicht unterrichten? Das ist schade. Ich denke, ich könnte noch einiges von Euch lernen. Zu Pferd vielleicht?" Sie blickte an der Junkerin vorbei in den Burghof, in dem der große, schwarzgraue Hund sich träge vor einem der Türme niederließ.


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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]]
Rifada blickte ihre Nichte zweifelnd an. Wer oder was hatte ihr bloß diesen Floh ins Ohr gesetzt, sie bedürfe noch weiterer Fechtstunden? Für so etwas gab es Schwertmeister, die ihr Geld damit verdienten. Über den eigentlichen Grund ihres Hierseins schien sie dagegen nicht sprechen zu wollen – gerade so, als wäre die Frage gar nicht zu ihr durchgedrungen.  
Rifada blickte ihre Nichte zweifelnd an. Wer oder was hatte ihr bloß diesen Floh ins Ohr gesetzt, sie bedürfe noch weiterer Fechtstunden? Für so etwas gab es Schwertmeister, die ihr Geld damit verdienten. Über den eigentlichen Grund ihres Hierseins schien sie dagegen nicht sprechen zu wollen – gerade so, als wäre die Frage gar nicht zu ihr durchgedrungen.  


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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
Richeza, die während der Rede ihrer Tante, dieser halb zugewandt, weiter aus dem Fenster auf den dösenden Hund gesehen hatte, wandte sich zu der Junkerin um.
Richeza, die während der Rede ihrer Tante, dieser halb zugewandt, weiter aus dem Fenster auf den dösenden Hund gesehen hatte, wandte sich zu der Junkerin um.


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'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|Lindholz]]
Rifada da Vanya wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als der junge Tizino erneut den Raum betrat: "Verzeiht, Euer Wohlgeboren, aber eine Nachricht für Eure Nichte ist eingetroffen und der Bote besteht darauf, die Botschaft persönlich zu überreichen. Er sagt sein Name laute Dom [[Amaros Desidero von Lindholz|Amaros von Lindholz]]."
Rifada da Vanya wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als der junge Tizino erneut den Raum betrat: "Verzeiht, Euer Wohlgeboren, aber eine Nachricht für Eure Nichte ist eingetroffen und der Bote besteht darauf, die Botschaft persönlich zu überreichen. Er sagt sein Name laute Dom [[Amaros Desidero von Lindholz|Amaros von Lindholz]]."


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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]]
Rifada zog eine Augenbraue in die Höhe, dass der Bursche einfach so mir nichts dir nichts das Zwiegespräch zweier Magnatinnen unterbrach. "Sie ist schon seit sechs Tagen hier!", beantwortete sie Richezas Frage. "Mein nichtsnutziger Vetter Lucrann ist zurück im Lande, und Belisetha ist nun der festen Überzeugung, für den verlotterten Waldschrat eine Ehegemahlin finden zu müssen. Gujadanya will sie ebenfalls so schnell wie möglich unter die Haube bringen – eine Achmad'sunni, die einen Mann heiratet – hahaha! Wann hat man so einen Unsinn schon gehört?" Ihr Gesicht wurde ernst. "Leider befürchte ich aber, dass sich meine Tochter tatsächlich von ihr beschwatzen lässt. Guja hat schon als Mädchen jedem Gockel hinterher geschaut, der sich am Wegesrand aufgeplustert und ihr kecke Blicke zugeworfen hat. Sie ist den treulosen Mannsbildern leider durchaus zugetan."
Rifada zog eine Augenbraue in die Höhe, dass der Bursche einfach so mir nichts dir nichts das Zwiegespräch zweier Magnatinnen unterbrach. "Sie ist schon seit sechs Tagen hier!", beantwortete sie Richezas Frage. "Mein nichtsnutziger Vetter Lucrann ist zurück im Lande, und Belisetha ist nun der festen Überzeugung, für den verlotterten Waldschrat eine Ehegemahlin finden zu müssen. Gujadanya will sie ebenfalls so schnell wie möglich unter die Haube bringen – eine Achmad'sunni, die einen Mann heiratet – hahaha! Wann hat man so einen Unsinn schon gehört?" Ihr Gesicht wurde ernst. "Leider befürchte ich aber, dass sich meine Tochter tatsächlich von ihr beschwatzen lässt. Guja hat schon als Mädchen jedem Gockel hinterher geschaut, der sich am Wegesrand aufgeplustert und ihr kecke Blicke zugeworfen hat. Sie ist den treulosen Mannsbildern leider durchaus zugetan."


Jetzt wandte sie sich an Tizino: "Was ist das für ein Bote, der seine Nachricht nicht wie ein normaler Mensch beim Portikus abgeben kann? Noch dazu gibt er vor, von Stand zu sein? Sein Name klingt schon so typisch verweichlicht  – Amaros von Lindholz." Sie schüttelte den Kopf und rümpfte die Nase. "Du hast doch nicht etwa was mit Yaquirtalern zu schaffen, mein Kind? Diesen heuchlerischen Gecken ist nicht weiter zu trauen, als deine Säbelspitze reicht!" Mit Schaudern dachte sie an diesen [[Gendahar von Streitzig]] oder an ihren eigenen einzigen Besuch in Punin vor über fünfunddreißig Jahren zurück.
Jetzt wandte sie sich an Tizino: "Was ist das für ein Bote, der seine Nachricht nicht wie ein normaler Mensch beim Portikus abgeben kann? Noch dazu gibt er vor, von Stand zu sein? Sein Name klingt schon so typisch verweichlicht  – Amaros von Lindholz." Sie schüttelte den Kopf und rümpfte die Nase. "Du hast doch nicht etwa was mit Yaquirtalern zu schaffen, mein Kind? Diesen heuchlerischen Gecken ist nicht weiter zu trauen, als deine Säbelspitze reicht!" Mit Schaudern dachte sie an diesen [[Gendahar von Streitzig]] oder an ihren eigenen einzigen Besuch in Punin vor über fünfunddreißig Jahren zurück.


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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
 
Richeza presste die Lippen zusammen, rieb sich über das Kinn, noch immer einen erschrockenen Ausdruck in den dunklen Augen. Dann straffte sie sich, zuckte mit den Schultern. "Lindholz?", fragte sie grimmig. "Mit denen hat meine Familia nichts mehr zu schaffen, seit mein Urgroßonkel irgend so eine Caballera aus deren Geschlecht geheiratet hat." Nochmals hob sie die Schultern. "Besser, ich gehe runter und höre mir an, was der Kerl zu sagen hat." Allein ein leichtes Zittern ihrer Hand strafte ihre rauen Worte Lügen, als sie die Tür des Saales öffnete und ihre Tante unvermittelt stehen ließ.  
Richeza presste die Lippen zusammen, rieb sich über das Kinn, noch immer einen erschrockenen Ausdruck in den dunklen Augen. Dann straffte sie sich, zuckte mit den Schultern. "Lindholz?", fragte sie grimmig. "Mit denen hat meine Familia nichts mehr zu schaffen, seit mein Urgroßonkel irgend so eine Caballera aus deren Geschlecht geheiratet hat." Nochmals hob sie die Schultern. "Besser, ich gehe runter und höre mir an, was der Kerl zu sagen hat." Allein ein leichtes Zittern ihrer Hand strafte ihre rauen Worte Lügen, als sie die Tür des Saales öffnete und ihre Tante unvermittelt stehen ließ.  


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'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|Lindholz]]
Der Torwächter verbeugte sich gen Domna Rifada, trat ebenfalls durch die Tür des Saales und schloss diese, bevor er Domna Richeza den Gang hinab folgte. Er musste sich eilen, zu der raschen Schrittes der Treppe zustrebenden Scheffelsteinerin aufzuholen. Niemand kam ihnen entgegen oder ließ sich blicken. In so einer weitläufigen Wehranlage verlor sich offenbar das Wenige, was die da Vanyas an Dienerschaft benötigten. Domna Richeza beachtete ihn nicht weiter und so nutzte der junge Mann die Zeit, bis die Landedle ihren Fuß auf die ersten Stufen gesetzt hatte, um der Rückansicht der ebenso schönen wie stolzen Adligen einen genaueren Blick zu gönnen. Sie mochte die Dreißig bereits hinter sich gelassen haben, doch im Gegensatz zu manch anderer edlen Dame, die mit den Jahren in die Breite ging, war die Scheffelsteinerin, dem tagtäglichen Umgang mit der Waffe geschuldet, noch immer schlank, wenn auch nicht zierlich. Sicherlich wäre die für Ihre Schönheit so viel gerühmte Domna in der Lage, so manche frisch erblühte Rose in die Eifersucht zu treiben, wenn sie es darauf anlegen würde.
Der Torwächter verbeugte sich gen Domna Rifada, trat ebenfalls durch die Tür des Saales und schloss diese, bevor er Domna Richeza den Gang hinab folgte. Er musste sich eilen, zu der raschen Schrittes der Treppe zustrebenden Scheffelsteinerin aufzuholen. Niemand kam ihnen entgegen oder ließ sich blicken. In so einer weitläufigen Wehranlage verlor sich offenbar das Wenige, was die da Vanyas an Dienerschaft benötigten. Domna Richeza beachtete ihn nicht weiter und so nutzte der junge Mann die Zeit, bis die Landedle ihren Fuß auf die ersten Stufen gesetzt hatte, um der Rückansicht der ebenso schönen wie stolzen Adligen einen genaueren Blick zu gönnen. Sie mochte die Dreißig bereits hinter sich gelassen haben, doch im Gegensatz zu manch anderer edlen Dame, die mit den Jahren in die Breite ging, war die Scheffelsteinerin, dem tagtäglichen Umgang mit der Waffe geschuldet, noch immer schlank, wenn auch nicht zierlich. Sicherlich wäre die für Ihre Schönheit so viel gerühmte Domna in der Lage, so manche frisch erblühte Rose in die Eifersucht zu treiben, wenn sie es darauf anlegen würde.


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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
Die Landedle blieb abrupt stehen und starrte den jungen Wächter an, nahm ihm, ohne ihn aus ihrem Blick zu entlassen, das Schreiben ab, behielt es, die strenge Musterung fortsetzend, einen Augenblick in der Hand, prüfte alsdann das Siegel, ehe sie es brach. "Eines noch", sagte sie, den Blick abermals hebend. "Woher wusste dieser Lindholz, dass ich hier zu finden sei?"
Die Landedle blieb abrupt stehen und starrte den jungen Wächter an, nahm ihm, ohne ihn aus ihrem Blick zu entlassen, das Schreiben ab, behielt es, die strenge Musterung fortsetzend, einen Augenblick in der Hand, prüfte alsdann das Siegel, ehe sie es brach. "Eines noch", sagte sie, den Blick abermals hebend. "Woher wusste dieser Lindholz, dass ich hier zu finden sei?"


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Richeza starrte den Burschen noch einen Augenblick lang an, doch gerade, als sie sich dem Brief zugewandt und das Papier aufgefaltet hatte, erschien oben am Treppenabsatz, wie eine Naturgewalt, die Hausherrin.
Richeza starrte den Burschen noch einen Augenblick lang an, doch gerade, als sie sich dem Brief zugewandt und das Papier aufgefaltet hatte, erschien oben am Treppenabsatz, wie eine Naturgewalt, die Hausherrin.
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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]]
Dafür, dass sie aufgrund ihres vorgeblich lahmen Beines gerade eben noch von einem Gehstock gesprochen hatte, schien Rifada diesen innerhalb der Mauern ihres eigenen Castillos für nicht erforderlich zu erachten. Zwar zog sie das besagte Bein kaum merklich nach - aber ansonsten bewegte sie sich für eine Frau ihres Alters und ihrer muskulösen Statur sehr behende.  Statt des Gehstocks hielt sie aber - wie Richeza und der Diener erschrocken feststellten - ein blankgezogenes Krummschwert ohne Scheide in ihrer rechten Hand. "Dann wollen wir dochmal sehen, was der Yaquirtaler Stenz uns zu solcher Stunde wichtiges mitzuteilen hat. Ich bin vorbereitet, wenn er irgendwelche Infamitäten versucht!"   
Dafür, dass sie aufgrund ihres vorgeblich lahmen Beines gerade eben noch von einem Gehstock gesprochen hatte, schien Rifada diesen innerhalb der Mauern ihres eigenen Castillos für nicht erforderlich zu erachten. Zwar zog sie das besagte Bein kaum merklich nach - aber ansonsten bewegte sie sich für eine Frau ihres Alters und ihrer muskulösen Statur sehr behende.  Statt des Gehstocks hielt sie aber - wie Richeza und der Diener erschrocken feststellten - ein blankgezogenes Krummschwert ohne Scheide in ihrer rechten Hand. "Dann wollen wir dochmal sehen, was der Yaquirtaler Stenz uns zu solcher Stunde wichtiges mitzuteilen hat. Ich bin vorbereitet, wenn er irgendwelche Infamitäten versucht!"   


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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
Richeza sah dem davon eilenden Torwächter nach, dann zu ihrer Tante auf, die einige Fuß über ihr an der Treppe stand. Langsam strich sie das Papier glatt und begann stockend und halblaut zu lesen.
Richeza sah dem davon eilenden Torwächter nach, dann zu ihrer Tante auf, die einige Fuß über ihr an der Treppe stand. Langsam strich sie das Papier glatt und begann stockend und halblaut zu lesen.
   
   
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Sie brach ab. "Oh", sagte sie, aber es klang nicht überrascht, "es ist gar nicht von dem Lindholz, sondern von seiner Schwester." Sie leckte sich über die Lippen, faltete das Papier zusammen und steckte es in ihr Wams. "Hören wir doch besser erst einmal, was er zu sagen hat." Sie lächelte schwach, ohne dass aber ihr Blick den ihrer Tante kreuzte, und schickte sich an, an dieser vorbei und zurück in den Saal zu gehen.
Sie brach ab. "Oh", sagte sie, aber es klang nicht überrascht, "es ist gar nicht von dem Lindholz, sondern von seiner Schwester." Sie leckte sich über die Lippen, faltete das Papier zusammen und steckte es in ihr Wams. "Hören wir doch besser erst einmal, was er zu sagen hat." Sie lächelte schwach, ohne dass aber ihr Blick den ihrer Tante kreuzte, und schickte sich an, an dieser vorbei und zurück in den Saal zu gehen.
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'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|Lindholz]]
Der junge Mann huschte die restlichen Stufen hinab und eilte sich, aus dem Blickfeld der beiden Domnas zu entkommen. 'Diese da Vanya ist ja eine bedenklich rabiate Person!', dachte er bei sich und war irgendwo gefangen  zwischen Furcht und Lachen. Amaros von Lindholz ließ den Zauber fallen: Die Rüstung wurde zur Robe, die Hellebarde zum Stecken aus Lindenholz und das Gesicht des braven Torwächters verblasste, um den selbstzufriedenen Lächeln eines Yaquirtaler Gecken Platz zu machen. Das war eine wirklich interessante Übung für seine Talente gewesen: abenteuerlich und unberechenbar. So erlernte man die Zauberei! Da mochten die Staubbärte in Punin sagen, was sie wollten und auf die Magica Phantasmagorica herabblicken in Ihrer Arroganz! Amaros von Lindholz strich über seine Robe - mehr um sich zu beruhigen, als um das Kleidungsstück zu ordnen. Bei den nächsten Schritten, sollte er jedoch wohl etwas bedachter vorgehen; schließlich sollte das Anliegen seiner Schwester nicht in Misskredit geraten. Noch einmal atmete er durch und machte sich dann daran, das Treppenhaus erneut empor zu steigen.
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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]]
"Warte!", hielt Rifada ihre Nichte am Arm zurück, da sie offenbar nicht die Absicht hatte, den angekündigten, ihr völlig unbekannten Yaquirtaler im großen Saal zu empfangen. Eine solche räumliche Ehrerweisung hielt sie offenbar nur bei geladenen, standesgemäßen Gästen für erforderlich.
"Was hast du mit der Schwester von diesem Burschen zu schaffen gehabt, dass sie glaubt, ein Schreiben von ihr sei ''das Letzte'', was du dir wünschst? Sieh zu, dass du den Laffen schnell abwimmelst, denn wir haben Wichtigeres zu besprechen! Wenn er zu lange herumdruckst, gehe ich dazwischen und bring ihm das Schnellreden bei. Diese Yaquirtaler neigen nämlich sonst dazu, große Reden wie die Helden aus den 1-Taler-Novellen zu schwingen – aber die kann er daheim unter Seinesgleichen zum Besten geben!"
Rifada beendete ihre gefauchten Ermahnungen, als leise näherkommende Schritte den unerwarteten Besucher ankündigten. Ihre beiden Augenbrauen schnellten erst in die Höhe und verengten dann die Augen zu schmalen Schlitzen, als sie sah, dass es sich bei ihm um einen studierten Magus handelte. Auch das noch! Ein Hokuspokus-Hexer wie der Bastard der Elenterin ... Instinktiv vergewisserte sie sich mit der linken Hand, dass sie Griphonis Solaris um den Hals trug.
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'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|Lindholz]]
Amaros von Lindholz blieb einige Stufen unterhalb der beiden Edeldamen stehen und schenkte den Zweien ein freundliches Lächeln, das von den Zügen der da Vanya abprallte wie ein schwächlicher Pfeil an den mächtigen Mauern ihres Castillos.
"Der Segen der Zwölfe mit Euch, Domna Rifada, Domna Richeza." Verunsichert wanderte sein Blick über den schimmernden Stahl in der Hand der Junkerin, als er ihnen die angebrachte Reverenz erwies und das Haupt neigte. ''Zumindest ist die Klinge noch nicht auf mich gerichtet'', tröstete er sich. "Domna Rifada, welche Ehre, dass Ihr Euch persönlich die Zeit nehmt, mich in Euren wehrhaften Hallen willkommen zu heißen."
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
"Was wollt Ihr hier?", kam die Scheffelsteinerin einer Antwort ihrer Tante zuvor. "Wieso seid Ihr mir gefolgt? Und seit wann? Denn anders ist kaum zu erklären, warum Ihr mich hier anzutreffen glaubtet."
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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]]
Rifada blickte zunächst den ungeladenen Gast und dann ihre Nichte überrascht an. Das, was Richeza aussprach, hatte sie noch gar nicht bedacht – war ihr dieser Yaquirtaler tatsächlich gefolgt? Und wenn ja, zu welchem Zweck? Scheinbar kannte Richeza diesen Hexer. Andererseits hatten sinistere Burschen seiner Profession vielleicht auch andere Möglichkeiten, ihren Aufenthaltsort in Erfahrung zu bringen. Rifada war nicht abergläubisch und hatte nie viel auf das Gewäsch anderer Leute gegeben, zu welch wundersamen Hokuspokus diese Scharlatane angeblich fähig sein sollten. Fakt war: Weder [[Tsacharias Krähenfreund]], noch seine Schwester Udinia, noch der Bastardspross der Elenterin, noch der stinkende Dämon hatten sie jemals verhexen können. Das konnten sie mit denen machen, die empfänglich für solches Brimborium waren – aber zu jenen zählte sie am allerwenigsten!
In einem – für ihre Verhältnisse – noch recht freundlichem bis neutralem Tonfall entgegnete sie also dem Neuankömmling: "Die Guten Götter zum Gruße, da Ihr uns visitiert! Doch habt Ihr Euch dafür leider einen denkbar schlechten Zeitpunkt ausgesucht, denn meine Nichte und ich haben private Dinge zu besprechen, die allein unsere Familia etwas angehen. Erklärt Euch also zügig und direkt – seid Ihr ihr gefolgt und wenn ja, welcher Grund führt Euch zu uns?"
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'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|Lindholz]]
"Es ist wahr, Domna Richeza, ich bin Euch gefolgt. Doch geschah dies nicht aus Argheit. Mir war es lediglich ein Anliegen, dem Wunsche meiner Schwester zu entsprechen, und Euch Ihr Schreiben alsbald zukommen zu lassen, bevor böswillige Gerüchte Euer Herz womöglich gegen das gute Geschöpf einnehmen könnten", erklärte der junge Adept der arkanen Künste sein Erscheinen, "Sie war der Meinung, das dies Schreiben, was sie an Euch richtete und das Ihr nun bei Euch tragt, in den falschen Händen zu großem Schaden erwachsen könne, den zu verhindern es eigentlich aufgesetzt wurde. Daher bat sie mich, den Brief auf eine Weise zu sichern, wie dies nur jenen meiner Zunft möglich ist, und diesen Schutz erst aufzuheben, wenn die Worte Euch erreichten."
"Euch, werte Domna Rifada, möchte ich um Vergebung bitten. Es war nicht mein Ansinnen, ein urgierendes Treffen einer Familia von solch edlem Blute zu unterbrechen", sprach er an die Burgherrin gerichtet weiter, "Wenn es mir möglich ist, für dieses wenn auch ungewollte Vergehen Genugtuung zu leisten, so zögert nicht und lasst es mich wissen."
"Euer Onkel, seine Eminenz Dom Amando Laconda, geruhen nicht zufällig auch an dieser Zuammenkunft teilzunehmen?" fragte er nach kurzer Pause wie beiläufig nach.
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
Wieder kam die Scheffelsteinerin ihrer Tante zuvor, als sie sich an den jungen Magier wandte: "Also schön, ich habe Euren Brief erhalten, Euer Auftrag ist erledigt, dem Wunsch Eurer Schwester wohl entsprochen." Unruhig fingerte sie am Saum ihres Wamses, in dessen Tasche der Brief verschwunden war. "Seine Eminenz ist nicht hier. Wenn Ihr ihn sucht, macht Ihr Euch am besten schnellstmöglich nach Ragath auf oder nach Gareth oder wo auch immer er sich herumtreibt."
Sie warf einen Blick auf eines der schmalen Fenster in der trutzigen Mauer des Castillos, durch das es kalt hereinzog. Vor dem rasch dunkler werdenden Himmel hatte der eisige Regen sich in Schnee verwandelt, der die Zinnen des Wehrgangs und die Dächer der Türme sprenkelte, wie ein unbeholfener Maler, der nicht wagte, die Farben satt und selbstbewusst auf seine Leinwand zu tragen.
Sie wandte sich zum Gehen, blieb aber einige Schritte vor der Tür des Großen Saales noch einmal stehen und blickte den Magier beinahe feindselig an. "Was auch immer Ihr für Gerüchte gehört habt: Sie entsprechen kaum der Wahrheit. So ist das mit Gerüchten, nicht wahr? Und ich rate Euch nicht und Eurer Schwester nicht, den Namen da Vanya mit etwas anderem als Respekt zu begegnen."
Die große Tür schwang auf und fiel hinter ihr schwer ins Schloss. Drinnen ließ sich die Edle bleich auf einen der Stühle am Kamin niedersinken, holte mit zitternden Fingern den Brief hervor, den sie selbst nicht bis zuletzt gelesen hatte, warf ihn zwischen die glimmenden Scheite und sah zu, wie die Glut das Papier von den Rändern her anzufressen begann.
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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]]
Rifada runzelte die Stirne und blickte ihre Nichte – nicht zum ersten Mal seit deren Ankunft – verwundert und überrascht an. Irgendetwas war in der Zwischenzeit vorgefallen, das Kind war ihr geradezu fremd oder besser gesagt rätselhaft geworden. Was hatten sie und dieser Zauberer oder vielmehr dessen Schwester miteinander zu schaffen und warum suchten diese nach Amando? Zu einem anderen Zeitpunkt hätte sie ihn sich vorgeknöpft und ein bisschen in die Mangel genommen, um Näheres zu erfahren. Aber immerhin präsentierte er sich ja recht höflich.
So also beschied sie ihn mit fast schon gönnerhafter Stimme: "Bei diesem Wetter schickt man keinen Esel vor die Türe. Ihr habt eine lange Heimreise vor Euch. Wenn Ihr also bis morgen früh hier Rast machen wollt, so wird Euch der Torwächter eine Kammer im Ostturm zuweisen. Was aber diese ominösen Gerüchte betrifft, von denen meine Nichte sprach und über deren Hintergrund ich leider nichts weiß, so kann ich ihrer Warnung nur beipflichten. Sollte bald irgendein Ondit über unsere Familia im Schwange sein, von dem ich glauben muss, dass Ihr dessen Quelle seid, so habt Ihr nicht nur meine Nichte am Hals, sondern auch mich – und das ist bedeutend schlimmer!" Sie entbot ihm einen lässigen Gruß mit der Waffe in der Hand. "Gehabt Euch wohl! Den Segen der Zwölf für eine wohlbehaltene Heimreise!"
Damit kehrte auch sie in den Großen Saal zurück und fand Richeza beim Feuer sitzend.
"Was war das eben?", fragte sie diese von hinten. "Ich will wissen, was es mit deinen Connexes zu diesen Yaquirtalern auf sich hat!"
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
Richeza antwortet nicht sofort, saß, den Mund auf eine Faust gestützt, den Ellenbogen auf dem Tisch, der Junkerin den Rücken zugekehrt, und starrte in das heruntergebrannte Feuer, die im Luftzug aufleuchtende Glut, die Asche, die wie Schnee aufstob und sich grau und weiß über den Fußboden verteilte.
"Ich kenne ihn nicht", sagte sie nach einem Moment. "Den Lindholz. Und seine Schwester: bin ihr höchstens von Weitem begegnet. Hab' nur mal den Vater gesehen, irgendwo in Taladur bei der Krönung des verfluchten Harmamund, und bei irgendeinem Reichskongress oder was weiß ich wo. Ich hab' mit denen nichts zu schaffen. Will ich auch nicht. Sie interessieren mich nicht."
Sie ließ den Kopf in beide Hände sinken und stöhnte leise.
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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]]
Rifada kräuselte die Stirn hinter Richezas Rücken, erwiderte aber zunächst nichts. Bei der Krönung des verfluchten Harmamunds war sie also auch noch zugegen gewesen? Hatte sie am Ende gar noch das Knie gebeugt vor dem Sohn dieser Hunderasse? Sie schüttelte den Kopf. Wahrlich, die Tochter ihrer geliebten Schwester hatte sich seit ihrem letzten Treffen verändert, antwortete nur mit nichtssagenden Plattitüden und Ausflüchten – wie eine Fremde. Aber das Kind war erschöpft und jetzt war nicht die Zeit, ihr den Kopf wieder gerade zu rücken.
"Geh zu Bett!", befahl ihr Rifada, fast mit einem Anflug von mütterlicher Güte, wenn nicht all ihre Befehle eben auch wie unmissverständliche Befehle geklungen hätten. "Morgen ist ein neuer Tag. Dann sprechen wir weiter! Die frühere Kammer deiner Mutter steht nach wie vor jederzeit ungenutzt für dich bereit!"
Damit verließ sie selbst den Saal und machte sich auf den Weg zu ihrer Kammer, nun etwas deutlicher humpelnd, wie noch vorhin unter fremden Augen. Schlecht war nur, dass ihnen dann morgen beim Frühmahl auch Belisetha Gesellschaft leisten würde – sie durfte von dem Plan, die finale Konfrontation mit der Elenterin zu suchen und nach Albacim zu gehen, besser nichts erfahren. Hoffentlich kam Richeza nicht morgen früh in ihrem Beisein auf das Thema zurück.