Chronik.Ereignis1033 Streit ums Taubental 29: Unterschied zwischen den Versionen
Beiträge von damotil, ehrenstein, lasdardas, vivar und beiras eingefügt |
K links |
||
| (14 dazwischenliegende Versionen von 2 Benutzern werden nicht angezeigt) | |||
| Zeile 16: | Zeile 16: | ||
Dass sich in der Dunkelheit über dem Aufbau noch die zwiebelförmige Kupferkuppel des Rosentempels wölbte, konnte Bruder Zafir nur erahnen, denn das Licht der Laternen füllte lediglich die Tanzfläche im Zentrum vollständig aus. Bereits die Liegen der Gäste lagen im Halbschatten. Duftkerzen auf den Beistelltischchen sorgten jedoch dafür, dass Speisen, Getränke und Gesichter der unmittelbaren Nachbarn klar erkennbar waren. | Dass sich in der Dunkelheit über dem Aufbau noch die zwiebelförmige Kupferkuppel des Rosentempels wölbte, konnte Bruder Zafir nur erahnen, denn das Licht der Laternen füllte lediglich die Tanzfläche im Zentrum vollständig aus. Bereits die Liegen der Gäste lagen im Halbschatten. Duftkerzen auf den Beistelltischchen sorgten jedoch dafür, dass Speisen, Getränke und Gesichter der unmittelbaren Nachbarn klar erkennbar waren. | ||
Während er mit allen Sinnen die Eindrücke aufnahm, fühlte er, dass heute einer jener Abende sein konnte, nach denen sich sein ganzes Herz, sein ganzer Geist und sein ganzer Leib sehnten, und die er doch nur selten erleben durfte. Er würde den 'Atemhauch Rahjas auf seiner Haut spüren', wie Hochwürden [[Bonaventura | Während er mit allen Sinnen die Eindrücke aufnahm, fühlte er, dass heute einer jener Abende sein konnte, nach denen sich sein ganzes Herz, sein ganzer Geist und sein ganzer Leib sehnten, und die er doch nur selten erleben durfte. Er würde den 'Atemhauch Rahjas auf seiner Haut spüren', wie Hochwürden [[Bonaventura XXV. Colombi|Bonaventura]] es nannte. Der Gedanke an die Präsenz des Göttlichen durchlief ihn wie eine neuerliche Welle und trieb das Blut in seine Wangen. | ||
Liebevoll blickte der Mönch auf Bonaventura | Liebevoll blickte der Mönch auf Bonaventura XXV. Colombi, der ihm Herr, väterlicher Freund und Liebhaber zugleich war. Bonaventura war jenseits der sechzig, und dennoch bewegte er auf der kreisrunden Tanzfläche so gekonnt wie kaum ein zweiter. Mit angeborener Leichtigkeit den treibenden Takt der Musik wahrend, vollführte der Abt schwungvolle Kreisschritte, kleine Stampfer, kaum merkliche sprünge, bewegte kraftvoll Arme und Haupt. Dabei kam er den anderen Tänzern und Tänzerinnen mit Leib und Händen so nahe, dass es schien, sie würden sich berühren. | ||
Bruder Zafir wusste, dass sie sich nie berührten. Nicht in dieser Anfangsphase des Tanzes, "ex positio" genannt, in der die Musik ruhig schreitend war und die Tänzer den Abstand wahrten um sich mit ihrem Können der Göttin, den Mittänzern und den Zuschauern vorzustellen. Die Musiker - Bruder Farimiro an der [[avwik:Kabasflöte|Kabasflöte]], Schwester Isandra an der [[Vihuela]], Bruder Rahjimundo an der Viola da Gamba und Schwester Rahjineza an der [[Dabla]] - saßen am Rand der Tanzfläche und begleiteten die Tänzer. | Bruder Zafir wusste, dass sie sich nie berührten. Nicht in dieser Anfangsphase des Tanzes, "ex positio" genannt, in der die Musik ruhig schreitend war und die Tänzer den Abstand wahrten um sich mit ihrem Können der Göttin, den Mittänzern und den Zuschauern vorzustellen. Die Musiker - Bruder Farimiro an der [[avwik:Kabasflöte|Kabasflöte]], Schwester Isandra an der [[Vihuela]], Bruder Rahjimundo an der Viola da Gamba und Schwester Rahjineza an der [[Dabla]] - saßen am Rand der Tanzfläche und begleiteten die Tänzer. | ||
| Zeile 28: | Zeile 28: | ||
Kurioser mutete Hochwürden Rahjico von Brandelonde an. Der Abt des einzigen anderen Catalinenserklosters in der Waldwacht war beinahe so rund wie die Fässer von Wein und Federweißem, die er am Nachmittag gemeinsam mit den Vertretern seiner Abtei herbeigeschafft hatte. Seine Nase war so rot wie sein Talar und sein Haarkranz, obschon ohne grau, lichtete sich bereits. Doch selbst er, der eher ein Jünger des Rebensafts als des Tanzes war, bewegte sich mit einer gewissen kugeligen Eleganz, die Bruder Zafir überraschte und für die er den Dicken liebte. | Kurioser mutete Hochwürden Rahjico von Brandelonde an. Der Abt des einzigen anderen Catalinenserklosters in der Waldwacht war beinahe so rund wie die Fässer von Wein und Federweißem, die er am Nachmittag gemeinsam mit den Vertretern seiner Abtei herbeigeschafft hatte. Seine Nase war so rot wie sein Talar und sein Haarkranz, obschon ohne grau, lichtete sich bereits. Doch selbst er, der eher ein Jünger des Rebensafts als des Tanzes war, bewegte sich mit einer gewissen kugeligen Eleganz, die Bruder Zafir überraschte und für die er den Dicken liebte. | ||
Nur zu gerne wäre er selbst auf die Tanzfläche gesprungen um sich in den Reigen einzureihen. Doch | Nur zu gerne wäre er selbst auf die Tanzfläche gesprungen um sich in den Reigen einzureihen. Doch sein Amt war heute ein anderes. Durch die Stufen und die Säulen von den Tänzern getrennt, lagerten die hochherrschaftlichen Gäste der Göttin und des Klosters. Immer zwei Menschen teilten sich einen der bequemen und breiten Diwane, von denen je zwei sich ein kleines Holztischchen teilten und so eine Gruppe bildeten. Jeder Besucher hatte beim Betreten des Rosentempels die Stiefel zurückgelassen, war rituell an Haupt, Händen und Füßen gereinigt worden, mit einem Reif aus Weinblättern bekränzt worden und dann zu dem ihm zugedachten Diwan geführt worden, wo er sich, ganz nach Belieben, setzen oder hinlegen konnte. | ||
Die sieben Novizen des Klosters und einige Laienbrüder und -schwestern waren unter Bruder Zafirs Aufsicht für das leibliche Wohlergehen der Gäste verantwortlich. Sie trugen kalte und warme Speisen, Wein und Federweißen auf. Auch die junge [[Elena de las Dardas y Sangrín]], die erst am heutigen Nachmittag ihr Novizengelübde abgelegt hatte, war unter ihnen. Er wollte verdammt sein, wenn heute abend jemand unzufrieden und nüchtern wieder nach Hause ginge! | Die sieben Novizen des Klosters und einige Laienbrüder und -schwestern waren unter Bruder Zafirs Aufsicht für das leibliche Wohlergehen der Gäste verantwortlich. Sie trugen kalte und warme Speisen, Wein und Federweißen auf. Auch die junge [[Elena de las Dardas y Sangrín]], die erst am heutigen Nachmittag ihr Novizengelübde abgelegt hatte, war unter ihnen. Er wollte verdammt sein, wenn heute abend jemand unzufrieden und nüchtern wieder nach Hause ginge! | ||
Bruder Zafir strich sich die hellbraunen Locken aus dem Gesicht, griff sich eine Silberplatte mit mandelgefüllten Zuckerspeisen und begann lächelnd seinen Rundgang. Dabei konnte voll stiller Zuneigung 'seine' Gäste betrachten. Er schmunzelte über [[Lodovico di Dalias]], den Administrador von [[Junkergut Vivar|Vivar]], der sich zur Feier des Tages den Kaiser-Alrik-Schnauzer gewichst hatte, dem aber der Rebenkranz schief auf dem Haupt saß. Der Halbzahori wusste offensichtlich nicht, wo er als erstes hinschauen sollte. Deshalb sprach vor allem dem Wein zu und ließ sich nebenbei von Schwester Eulalia - einer eher rustikalen Schülerin der Schönheit aus Brilond -, die sich an seiner Seite nieder gelassen hatte, mit Datteln füttern. Dabei versuchte er immer wieder, ihre Hand zu der überdimensionierten Schamkapsel zwischen seinen Beinen zu führen. Das Lederteil war mit Stationen aus dem Leben und Sterben der Santa Catalina bemalt und recht eindeutig als Tand aus dem unerschöpflichen Fundus der Devotionalienhändler aus dem Dorf zu identifizieren. Schwester Eulalia war Catalinenserin genug um ihre Finger immer wieder auf halbem Wege kehrt machen zu lassen und Dom Lodovico noch begieriger zu machen. | Bruder Zafir strich sich die hellbraunen Locken aus dem Gesicht, griff sich eine Silberplatte mit mandelgefüllten Zuckerspeisen und begann lächelnd seinen Rundgang. Dabei konnte er voll stiller Zuneigung 'seine' Gäste betrachten. Er schmunzelte über [[Lodovico di Dalias]], den Administrador von [[Junkergut Vivar|Vivar]], der sich zur Feier des Tages den Kaiser-Alrik-Schnauzer gewichst hatte, dem aber der Rebenkranz schief auf dem Haupt saß. Der Halbzahori wusste offensichtlich nicht, wo er als erstes hinschauen sollte. Deshalb sprach vor allem dem Wein zu und ließ sich nebenbei von Schwester Eulalia - einer eher rustikalen Schülerin der Schönheit aus Brilond -, die sich an seiner Seite nieder gelassen hatte, mit Datteln füttern. Dabei versuchte er immer wieder, ihre Hand zu der überdimensionierten Schamkapsel zwischen seinen Beinen zu führen. Das Lederteil war mit Stationen aus dem Leben und Sterben der Santa Catalina bemalt und recht eindeutig als Tand aus dem unerschöpflichen Fundus der Devotionalienhändler aus dem Dorf zu identifizieren. Schwester Eulalia war Catalinenserin genug um ihre Finger immer wieder auf halbem Wege kehrt machen zu lassen und Dom Lodovico noch begieriger zu machen. | ||
Der Leib der jungen Caballera [[Yppolita di Dalias y las Dardas]], die, wie Bruder Zafir verstanden hatte, eine entfernte Base des Lodovico war, schien der einer Kriegerin zu sein. Dennoch hatte sie | Der Leib der jungen Caballera [[Yppolita di Dalias y las Dardas]], die, wie Bruder Zafir verstanden hatte, eine entfernte Base des Lodovico war, schien der einer Kriegerin zu sein. Dennoch hatte sie am heutigen Abend Mut bewiesen und ihn in ein ärmelloses Kleid aus blauem Samt gezwängt, hatte ihre Ohren mit kunstvollen, aber völlig altmodischen Ohrgehängen geschmückt und sich an Kohlstift und Lippenrot gewagt. Träge räkelte sie sich auf dem Diwan. Mit Geschichten von ihrer Aventuriade durch Mittelreich, [[avwik:Bornland|Bornland]] und [[avwik:Thorwal|Thorwal]] versuchte sie die Aufmerksamkeit des Ritters [[kos:Rodgrimm Grobhand von Koschtal|Rodgrimm von Koschtal]], eines dunkelblonden Hünen in ihrem Alter, zu erringen. Dieser saß aufrecht neben ihr, den Kelch in der Rechten, die Linke im Schoß liegend, aber er schien ihr nur halb zuzuhören. Sein hauptsächliches Augenmerk lag auf Schwester Paloma, deren Hüftbewegungen immer lockender wurden. | ||
Als Domna Yppolita bemerkte, dass ihre Versuche nichts fruchteten, wandte sie sich Bruder Zafir zu. "Ssafir, mein Go-goldlöckchen!", kicherte sie und stopfte sich ein weiteres Mandelplätzchen in den Mund. "Wollt Ihr Euff niff ein biffen fu mir fetfen?" | Als Domna Yppolita bemerkte, dass ihre Versuche nichts fruchteten, wandte sie sich Bruder Zafir zu. "Ssafir, mein Go-goldlöckchen!", kicherte sie und stopfte sich ein weiteres Mandelplätzchen in den Mund. "Wollt Ihr Euff niff ein biffen fu mir fetfen?" | ||
| Zeile 48: | Zeile 48: | ||
"Bruder Zafir, Euer Gnaden!", riss ihn Esclarmunda Silvani, die derbe Administradora von Altos, aus den Gedanken. "Die Maestra [[Lariana Lampérez|Lampérez]] hier erzählte uns gerade vom Ende des guten Dom [[Falk Fröhling|Falk]]. Welch traurige Nachricht!" | "Bruder Zafir, Euer Gnaden!", riss ihn Esclarmunda Silvani, die derbe Administradora von Altos, aus den Gedanken. "Die Maestra [[Lariana Lampérez|Lampérez]] hier erzählte uns gerade vom Ende des guten Dom [[Falk Fröhling|Falk]]. Welch traurige Nachricht!" | ||
Der Catalinenser schenkte der Hofmagierin einen fragenden Blick, den diese mit ihren Rehaugen auffing. Durch die tsafarben schillernde Schminke - gewiss Zauberwerk - wirkten Lariana Lampérez | Der Catalinenser schenkte der Hofmagierin einen fragenden Blick, den diese mit ihren Rehaugen auffing. Durch die tsafarben schillernde Schminke - gewiss Zauberwerk - wirkten Lariana Lampérez' Augen groß und sehnsuchtsvoll. Unter diesem grobschlächtigen Volk erschien die blasse Frau von 40 Jahren mit den schmalen Hüften und der knabenhaften Brust wie ein Kind unter Erwachsenen, das sich nach seinen Spielkameraden sehnte. Sie strich sich unschuldig die wie mit lauterem Gold bestäubte Robe glatt und zog die nackten Schultern hoch: "Ich fand, das sei ein interessanteres Gesprächsthema als das Gerede von Äpfeln und Holzschlag und Ziegenzucht." | ||
"Darf ich Euch die geschätzte Maestra für einen Moment entführen?", ergriff er sanft aber bestimmt die kleinen Finger derselben und zog sie mit sich in eine dunkle Ecke. Die Vögte blickten ihnen überrascht nach und begannen dann eifrig zu flüstern. | "Darf ich Euch die geschätzte Maestra für einen Moment entführen?", ergriff er sanft aber bestimmt die kleinen Finger derselben und zog sie mit sich in eine dunkle Ecke. Die Vögte blickten ihnen überrascht nach und begannen dann eifrig zu flüstern. | ||
| Zeile 62: | Zeile 62: | ||
Bruder Zafir starrte sie einen Moment mit offenem Mund an. Dann klappte er ihn wieder zu, führte Maestra Lariana zu dem nächstbesten Novizen und bat ihn, sie mit genügend Wein zu versorgen und vor allem keinen Moment aus den Augen zu lassen. | Bruder Zafir starrte sie einen Moment mit offenem Mund an. Dann klappte er ihn wieder zu, führte Maestra Lariana zu dem nächstbesten Novizen und bat ihn, sie mit genügend Wein zu versorgen und vor allem keinen Moment aus den Augen zu lassen. | ||
Die Zauberin sprach mit den Geistern der Verstorbenen! Kopfschüttelnd ging er weiter zur Sitzgruppe der [[avwik:Aranien|Aranier]]. Die Aranier, das waren Domna [[Aisha von Franfeld]], der Rosenritter Shafirio ay Ankrabad sowie die Fernhändlerinnen [[Melisandra Chaziani]] und [[Yashima saba Dhachmani]]. Domna Aisha, eine charmante und sehr diskrete Dame in den frühen Vierzigern [[avwik:Elburum|elburischer]] Abkunft, die ein [[Königlich Franfeld|Königliches Eigengut in der fernen [[Grafschaft Ragath]] verwaltete, hatte sich bei ihrem verschleierten Nachbarn untergehakt, plapperte auf Tulamidya und gestikulierte lebhaft. | Die Zauberin sprach mit den Geistern der Verstorbenen! Kopfschüttelnd ging er weiter zur Sitzgruppe der [[avwik:Aranien|Aranier]]. Die Aranier, das waren Domna [[Aisha von Franfeld]], der Rosenritter Shafirio ay Ankrabad sowie die Fernhändlerinnen [[Melisandra Chaziani]] und [[Yashima saba Dhachmani]]. Domna Aisha, eine charmante und sehr diskrete Dame in den frühen Vierzigern [[avwik:Elburum|elburischer]] Abkunft, die ein [[Königlich Franfeld|Königliches Eigengut]] in der fernen [[Grafschaft Ragath]] verwaltete, hatte sich bei ihrem verschleierten Nachbarn untergehakt, plapperte auf Tulamidya und gestikulierte lebhaft. | ||
An Dom Shafirio ay Ankrabad war das Auffälligste der silberdurchwirkte Gesichtsschleier, der nur die schwarzen Augen freiließ. Sein Haar verbarg er unter einem kunstvoll gewickelten roten Turban, an dem ein fein geschliffener Rosenquarz prangte. Sein Gewand war eine weiße, mit aberhunderten roten Rosen bestickte Robe. Dazu trug er eine rote Schärpe. Kostbare Ringe zierten seine gepflegten Finger. Auch wenn der Fremde, der sich vor einigen Jahren in jenem Taubentaler Haus, das nun der ''Aranische Hof'' genannt wurde, einquartiert hatte, ein regelmäßiger Tempelgänger war, war er für Bruder Zafir immer noch ein Mysterium. Er war stets verschleiert, sprach kaum und schien eher in stiller Andacht als bei fröhlichen Feiern seinen Weg zu Rahja zu beschreiten. Auch jetzt lauschte er dem munteren Gespräch der drei anderen, ohne sich selbst einzumischen. | An Dom Shafirio ay Ankrabad war das Auffälligste der silberdurchwirkte Gesichtsschleier, der nur die schwarzen Augen freiließ. Sein Haar verbarg er unter einem kunstvoll gewickelten roten Turban, an dem ein fein geschliffener Rosenquarz prangte. Sein Gewand war eine weiße, mit aberhunderten roten Rosen bestickte Robe. Dazu trug er eine rote Schärpe. Kostbare Ringe zierten seine gepflegten Finger. Auch wenn der Fremde, der sich vor einigen Jahren in jenem Taubentaler Haus, das nun der ''Aranische Hof'' genannt wurde, einquartiert hatte, ein regelmäßiger Tempelgänger war, war er für Bruder Zafir immer noch ein Mysterium. Er war stets verschleiert, sprach kaum und schien eher in stiller Andacht als bei fröhlichen Feiern seinen Weg zu Rahja zu beschreiten. Auch jetzt lauschte er dem munteren Gespräch der drei anderen, ohne sich selbst einzumischen. | ||
| Zeile 86: | Zeile 86: | ||
"Ich danke der Göttlichen Gastgeberin, dass Ihr Euch wohlfühlt. Wenn es Euch an irgendetwas mangeln sollte, so zögert nicht nach mir persönlich zu schicken. Edle Domnas, Euer Excellencia." | "Ich danke der Göttlichen Gastgeberin, dass Ihr Euch wohlfühlt. Wenn es Euch an irgendetwas mangeln sollte, so zögert nicht nach mir persönlich zu schicken. Edle Domnas, Euer Excellencia." | ||
Als er weiter wanderte, atmete er tief durch und befühlte verstohlen seine geröteten Wangen. 'Wie ein Novize!', | Als er weiter wanderte, atmete er tief durch und befühlte verstohlen seine geröteten Wangen. 'Wie ein Novize!', schalt er sich. Am nächsten Tischchen herrschte Schweigen. Die kupferhaarige Maid Lessina saß dort mit [[Corvara de Beiras y Bejar|Corvara]] und [[Salvestro de Beiras y Bejar]] und beobachtete wie gebannt die immer lebhafter werdenden Tänzer. Sie war nicht von Stand, aber als Schülerin Domna Melisandras konnte und wollte Bruder Zafir sie nicht von der Feier ausschließen. Außerdem hatte sie scheinbar mit den schlaksigen Beiraszwillingen Freundschaft geschlossen. Diese hoben sich mit ihrer milchig weißen Haut, den kühlen goldgrünen Augen und der dunklen, hochgeschlossenen Gewandung von den übrigen Feiernden ab wie Krähen von einem Schwarm Avesvögel. Die Rebenkronen wirkten, als hätten sie sich auf dem rabenschwarzen Haupthaar verirrt. Selbst sie schien jedoch die Wärme des Tanzes zu erfassen. Ihre Wangen zierte ein leichtes Rosa. | ||
Auch die blonde [[Siona von Lindholz|Edle zu Ribera]], für ihre wohl 40 Götterläufe immer noch gut aussehend, verfolgte beeindruckt den Tanz. Gesellschaft leistete ihr dabei ihre Tochter [[Lianna von Lindholz|Lianna]], eine stille und schweigsame Maid von kaum 18 Jahren, die scharf zu beobachten wusste. Unweigerlich entging ihr auch nicht die sich nähernde Gestalt Bruder Zafirs, den sie mit einem schüchternen Lächeln bedachte, bevor sie den Blick wieder auf die sich wiegenden Tänzern richtete. | Auch die blonde [[Siona von Lindholz|Edle zu Ribera]], für ihre wohl 40 Götterläufe immer noch gut aussehend, verfolgte beeindruckt den Tanz. Gesellschaft leistete ihr dabei ihre Tochter [[Lianna von Lindholz|Lianna]], eine stille und schweigsame Maid von kaum 18 Jahren, die scharf zu beobachten wusste. Unweigerlich entging ihr auch nicht die sich nähernde Gestalt Bruder Zafirs, den sie mit einem schüchternen Lächeln bedachte, bevor sie den Blick wieder auf die sich wiegenden Tänzern richtete. | ||
Die hübsche Domnatella [[Alisea von Lindholz|Alisea]] wiederum, die im Gegensatz zu ihrer jüngeren Schwester die blonde Haarpracht der Mutter | Die hübsche Domnatella [[Alisea von Lindholz|Alisea]] wiederum, die im Gegensatz zu ihrer jüngeren Schwester die blonde Haarpracht der Mutter geerbt hatte, interessierte sich weniger für die sich im Rhythmus der Dabla bewegenden Körper. Wie ihre Schwester trug sie ein leichtes Kleid im Ton eines vollmundigen Rosé mit silbernen Stickereien, welches an die liebfeldische ''Moda alla Aureliana'' angelehnt war. Trotz des einladenden Anblicks war es ihr aber bisher nicht gelungen den Blick Dom Leóns auf sich zu lenken. Bruder Zafir beobachtete stumm, wie sie immer wieder aufs Neue ein Lächeln aufsetzte, sich leicht aufrichtete, mit den Fingern durch ihr sorgfältig frisiertes Haar fuhr und dabei zum Diwan des Taubentaler Barons hinüberblickte. | ||
In diesem Augenblick fiel dem Hospitiar ein diskreter Fingerzeig von Schwester Rohalija am Tempeleingang auf. Er löste sich von Domnatella Aliseas Anblick und trat leichten Schrittes zu der schwarzhaarigen Akoluthin. Sie wies mit der Hand auf einen vieleicht zwanzig Lenze zählenden Jüngling mit kurzem, dunkelblondem Haar, der neben ihr am Eingang stand und die Feierlichkeiten aus kühlen, meergrauen Augen betrachtete: "Der junge Herr teilte mir mit, dass er ein kleines Päckchen für Domna Alisea von Lindholz bei sich trüge, Bruder Zafir, und bittet darum, dass es ihr überstellt wird." | In diesem Augenblick fiel dem Hospitiar ein diskreter Fingerzeig von Schwester Rohalija am Tempeleingang auf. Er löste sich von Domnatella Aliseas Anblick und trat leichten Schrittes zu der schwarzhaarigen Akoluthin. Sie wies mit der Hand auf einen vieleicht zwanzig Lenze zählenden Jüngling mit kurzem, dunkelblondem Haar, der neben ihr am Eingang stand und die Feierlichkeiten aus kühlen, meergrauen Augen betrachtete: "Der junge Herr teilte mir mit, dass er ein kleines Päckchen für Domna Alisea von Lindholz bei sich trüge, Bruder Zafir, und bittet darum, dass es ihr überstellt wird." | ||
| Zeile 96: | Zeile 96: | ||
"Danke, Rohalija, ich nehme mich der Angelegenheit an. Und vermeide doch beim nächsten Mal, mit dem Finger auf die Leute zu zeigen, ja?" | "Danke, Rohalija, ich nehme mich der Angelegenheit an. Und vermeide doch beim nächsten Mal, mit dem Finger auf die Leute zu zeigen, ja?" | ||
Der Jüngling hatte den Hospitiar inzwischen bemerkt und blickte ihm entgegen. Obwohl er nach eigener Aussage nur einen Kurierdienst ausführte, hatte auch er beim Betreten des heiligen Rosengartens die rituelle Waschung vollziehen müssen. Nun stand er barfüßig und rebenbekränzt auf der Tempelschwelle. In dem weiten, weißen Leinenhemd und der Hose aus rotem Wildleder | Der Jüngling hatte den Hospitiar inzwischen bemerkt und blickte ihm entgegen. Obwohl er nach eigener Aussage nur einen Kurierdienst ausführte, hatte auch er beim Betreten des heiligen Rosengartens die rituelle Waschung vollziehen müssen. Nun stand er barfüßig und rebenbekränzt auf der Tempelschwelle. In dem weiten, weißen Leinenhemd und der Hose aus rotem Wildleder bot einen durchaus gefälligen Anblick. Mit Interesse stellte Bruder Zafir fest, dass sein Gegenüber kaum die Statur aufwies, die auf schwere körperliche Arbeit schließen ließ. Wenn auch nicht schmächtig, so haftete dem Leib des Jünglings doch noch etwas geradezu knabenhaftes an. Ob es sich wohl um einen Leibdiener aus der albernischen Heimat der Domna Siona handelte? | ||
"Die Liebholde mit Euch. Ich bin Bruder Zafir und mit der Ausrichtung dieser sakralen Feierlichkeiten betraut. Mir wurde ausgerichtet, dass Ihr etwas bei Euch tragt, welches der Tochter der Edlen zu Ribera, übergeben werden soll?", begrüßte der Hospitiar den Boten. | "Die Liebholde mit Euch. Ich bin Bruder Zafir und mit der Ausrichtung dieser sakralen Feierlichkeiten betraut. Mir wurde ausgerichtet, dass Ihr etwas bei Euch tragt, welches der Tochter der Edlen zu Ribera, übergeben werden soll?", begrüßte der Hospitiar den Boten. | ||
| Zeile 213: | Zeile 213: | ||
Sein Leib indes hörte nicht auf zu zittern und zu zucken. Unter den Händen von Domna Romina, Zaida und Bruder Zafir wand er sich, verdrehte die Augen und verkrallte die Finger im Gewand Domna Fionas, die ihre Lippen wieder von den seinen gelöst hatte. | Sein Leib indes hörte nicht auf zu zittern und zu zucken. Unter den Händen von Domna Romina, Zaida und Bruder Zafir wand er sich, verdrehte die Augen und verkrallte die Finger im Gewand Domna Fionas, die ihre Lippen wieder von den seinen gelöst hatte. | ||
Die Catalinenser hatten schlagartig ihre Darbietung unterbrochen. Die Musiker hatten die Instrumente abgesetzt und die Tänzer wankten atemlos und verstört umher. Bonaventura | Die Catalinenser hatten schlagartig ihre Darbietung unterbrochen. Die Musiker hatten die Instrumente abgesetzt und die Tänzer wankten atemlos und verstört umher. Bonaventura XXV. blickte verwirrt von einem zum anderen, doch niemand seiner Mittänzer schien ihm Auskunft geben zu können. Die Novizen an den Tischen hatten ihre Pflicht vergessen und waren neugierig zum Ort des Unglücks geeilt, wo sie die Traube der ratlosen Schaulustigen verstärkten. | ||
Einzig Bruder Zafir hatte sich mit Domna Romina niedergekniet und versuchte, den spastisch zuckenden Baron festzuhalten, doch auch das half nichts. "Eine Katastrophe", flüsterte er, "eine Katastrophe!" Dann schrie er laut: "Wo bleibt dieses Gegengift?" | Einzig Bruder Zafir hatte sich mit Domna Romina niedergekniet und versuchte, den spastisch zuckenden Baron festzuhalten, doch auch das half nichts. "Eine Katastrophe", flüsterte er, "eine Katastrophe!" Dann schrie er laut: "Wo bleibt dieses Gegengift?" | ||
"Lasst mich durch!", rief eine helle Stimme, doch es war nicht der Leutnant, sondern die kindliche Maestra Lampérez, die sich durch die Zuschauer schob. Stumm betrachtete sie den sich windenden Barons aus ihren Rehaugen. Dann deutete sie mit ihrem kurzen Stab auf ihn und flüsterte eine unhörbare Formel.Doch bereits nach wenigen Augenblicken senkte sie den Stab wieder und ein Schatten der Trauer legte sich über ihr blasses Antlitz. "Oh mein lieber Baron! Ich kann nichts für Euch tun! Wäre ein böser Geist in Euch gefahren, so hätte ich ihn vertreiben können, doch Ihr seid von Menschenhand vergiftet worden und dagegen bin ich machtlos." | "Lasst mich durch!", rief eine helle Stimme, doch es war nicht der Leutnant, sondern die kindliche Maestra Lampérez, die sich durch die Zuschauer schob. Stumm betrachtete sie den sich windenden Barons aus ihren Rehaugen. Dann deutete sie mit ihrem kurzen Stab auf ihn und flüsterte eine unhörbare Formel. Doch bereits nach wenigen Augenblicken senkte sie den Stab wieder und ein Schatten der Trauer legte sich über ihr blasses Antlitz. "Oh mein lieber Baron! Ich kann nichts für Euch tun! Wäre ein böser Geist in Euch gefahren, so hätte ich ihn vertreiben können, doch Ihr seid von Menschenhand vergiftet worden und dagegen bin ich machtlos." | ||
"Was für eine miserable Kophta bist du eigentlich?", keifte Yashima saba Dhachmani. "Mein Lieblingsneffe liegt im Sterben und du bist machtlos? Radscha gebe, dass diesen Gegengift wirke!" | "Was für eine miserable Kophta bist du eigentlich?", keifte Yashima saba Dhachmani. "Mein Lieblingsneffe liegt im Sterben und du bist machtlos? Radscha gebe, dass diesen Gegengift wirke!" | ||
| Zeile 325: | Zeile 325: | ||
'''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]] | '''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]] | ||
"Ich finde, wir sollten alle hier bleiben. Ein Weilchen noch zumindest", erklang da mit einem Mal sanft, aber deutlich die Stimme von Bonaventura | "Ich finde, wir sollten alle hier bleiben. Ein Weilchen noch zumindest", erklang da mit einem Mal sanft, aber deutlich die Stimme von Bonaventura XXV. Der Abt hatte das Tempelrund verlassen und war an die um Dom León Stehenden herangeeilt. Der Baron stieß inzwischen abgehackte, unkontrollierte Laute aus, so als ob ihm das Atmen immer schwerer fiele, und flatterte mit den Augenlidern. | ||
Hastig kniete der Hochgeweihte neben dem Baron nieder und hob kurz die Hände gen Alveran. Im selben Augenblick tat Schwester Paloma Vasari auf der Tanzfläche einen stampfenden Schritt. Als ob dies ein Zeichen sei, begannen die Musici wieder zu spielen und die übrigen Catalinenser wieder zu tanzen. Das Musikstück war spielerisch und lebensfroh, und die Tänzer bewegten sich mit schier unbekümmerter Leichtigkeit. Als Begräbnismarsch war es denkbar ungeeignet. | Hastig kniete der Hochgeweihte neben dem Baron nieder und hob kurz die Hände gen Alveran. Im selben Augenblick tat Schwester Paloma Vasari auf der Tanzfläche einen stampfenden Schritt. Als ob dies ein Zeichen sei, begannen die Musici wieder zu spielen und die übrigen Catalinenser wieder zu tanzen. Das Musikstück war spielerisch und lebensfroh, und die Tänzer bewegten sich mit schier unbekümmerter Leichtigkeit. Als Begräbnismarsch war es denkbar ungeeignet. | ||
| Zeile 335: | Zeile 335: | ||
Derweil hatte der Abt die Augen geschlossen und begann den Oberkörper im Takt des Tanzes zu wiegen. Mehr und mehr schwang er den Oberkörper, als sei dieser unabhängig vom Rest seines Leibes. Dann breitete er seine nackten Arme aus und schlang sie um den sich wie wild wehrenden Dom León. | Derweil hatte der Abt die Augen geschlossen und begann den Oberkörper im Takt des Tanzes zu wiegen. Mehr und mehr schwang er den Oberkörper, als sei dieser unabhängig vom Rest seines Leibes. Dann breitete er seine nackten Arme aus und schlang sie um den sich wie wild wehrenden Dom León. | ||
Doch Bonaventura | Doch Bonaventura XXV. hatte trotz seines Alters noch eine erstaunliche Kraft. Es gelang ihm, den Baron wie einen Geliebten in den Arm zu nehmen und mit sich im Rhythmus der Dablaschläge zu wiegen. Wenn auch Dom Leóns Unterleib und seine Beine zitterten, als wollten sie zerbersten, so hörten seine Arme und sein Haupt doch auf, unkontrolliert um sich zu schlagen und fügten sich in den Takt der Melodie. Der Catalinenser nahm die Hände des Barons in seine Rechte, fasste ihn mit der Linken sanft am Haupt und beugte sich über ihn. | ||
Und so erhielt Dom León seinen zweiten Kuss an diesem Abend, genauso innig und langandauernd wie zuvor jener der Caballera von Las Dardas. Dieses Mal aber erlahmte nach und nach der krampfhafte Widerstand des Taubentaler Barons. Seine Lider schlossen sich und seine verkrampften Züge lösten sich, bis er schließlich schwach und weich in den Armen Bonaventuras lag. Die linke Hand Dom Leóns war zum Boden hinunter gesunken. In der offenen Handfläche lag eine rote Rosenblüte, die zuvor nicht dort gewesen war. Und war soeben der Duft des Rosenöls stärker geworden? | Und so erhielt Dom León seinen zweiten Kuss an diesem Abend, genauso innig und langandauernd wie zuvor jener der Caballera von Las Dardas. Dieses Mal aber erlahmte nach und nach der krampfhafte Widerstand des Taubentaler Barons. Seine Lider schlossen sich und seine verkrampften Züge lösten sich, bis er schließlich schwach und weich in den Armen Bonaventuras lag. Die linke Hand Dom Leóns war zum Boden hinunter gesunken. In der offenen Handfläche lag eine rote Rosenblüte, die zuvor nicht dort gewesen war. Und war soeben der Duft des Rosenöls stärker geworden? | ||
| Zeile 359: | Zeile 359: | ||
'''Autor:''' [[Benutzer:Dom Gualdo|dalias]] | '''Autor:''' [[Benutzer:Dom Gualdo|dalias]] | ||
Von den Worten des Abtes gebannt, hatten sich die beiden Daliaser umgewandt und verfolgt, wie Bonaventura | Von den Worten des Abtes gebannt, hatten sich die beiden Daliaser umgewandt und verfolgt, wie Bonaventura XXV. den Baron in die Arme geschlossen, ihn sanft gewogen und ihn erfüllt von inniger Hingabe geküsst hatte. Wundersam und herrlich waren das Wirken und die Wege der Götter. Der Hauch Alverans, der die Versammelten streifte, ließ Lodovico seine Finger durch die Luft kreisen und eine Praiosscheibe beschreiben – ganz so, wie er es als kleines Kind einst zu tun gelernt hatte, wenn ihm etwas Großes, Überderisches widerfuhr. Verstohlen wischte sich Yppolita – mit rauer Hand – Tränen der Rührung aus den Augen, die sich gleich einem Schleier zwischen sie und den Beweis göttlichen Wirkens geschoben hatten. | ||
---- | ---- | ||
| Zeile 612: | Zeile 612: | ||
"Wann?" Leonora dachte nach. "Das war... das muss... So war es, Euer Hochgeboren! Es ist schon länger her!" | "Wann?" Leonora dachte nach. "Das war... das muss... So war es, Euer Hochgeboren! Es ist schon länger her!" | ||
---- | |||
'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|lindholz]] | |||
Eine Hand legte sich beruhigend auf Domnatella Aliseas Schulter und als sie sich umblickte, stand ihre Mutter an ihrer Seite. Auch ihre Schwester hatte sich zu dazu gesellt. Domna Siona schenkte ihrer Tochter ein aufmunterndes Lächeln, bevor sie an die Gruppe derjenigen gewandt sprach, die die mutmaßliche Leonora vom Berg befragten: "Offensichtlich ist die junge Dame nicht Herrin ihrer Sinne. Ob dies eine Folge ihrer Tat ist oder ob sie bereits zuvor geistig umnachtet war, wird sich hoffentlich feststellen lassen. Ich schlage vor, dass sich zwei von uns mit dem Mädchen irgendwohin zurückziehen, wo sie sich beruhigen, aber nicht fliehen kann. Sobald sie weniger wirr ist, kann man, so mögen die Götter geben, etwas Sinnvolles von ihr erfahren. Vielleicht ist unter den anwesenden Dienern Rahjens jemand, der sich besonders darauf versteht, die Harmonie im Geiste wiederherzustellen?" Beim letzten Satz hatte sie ein wenig die Stimme gehoben und umgesehen, um die Aufmerksamkeit der anwesenden Priester und Akoluthen auf sich zu lenken. | |||
Ihre Töchter hatten sich in der Zwischenzeit an die Seite des ruhenden Barons begeben und die blondhaarige Alisea von Lindholz kniete neben dem schwarzhaarigen Edelmann nieder. Besorgt stellte sie fest, dass das Wunder des Abtes zwar zu wirken schien, doch das Gesicht des León de Vivar weit davon entfernt war, Gesundheit auszustrahlen. Geradezu wächsern sah seine Haut aus und selbst das sanfte Licht konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich eine unnatürliche Blässe seiner sonst so strahlenden Züge bemächtigt hatte. Unwillkürlich griff die Yaquirtaler Domnatella nach der Hand des schönen Barons, als könnte sie durch diesen physischen Griff, das Leben in seinem Körper halten. | |||
---- | |||
'''Autorin:''' [[Benutzer:Romina Alba|ehrenstein]] | |||
Domna Romina blinzelte kurz und drückte die aufsteigende Ungeduld nieder. Am Liebsten hätte sie das Mädchen geschüttelt. Doch was würde es helfen? Das Kind war augenscheinlich nur ein Werkzeug, womöglich sogar mit Magie gesteuert. Sie kannte sich in diesen Dingen einfach zu wenig aus. Und mit Waffen kam man hier momentan nicht weiter. Sie sah auf die Phiole und zu Dom León. Natürlich war er von Frauen umringt. Sie schnaufte und spürte einen Stich. Sie trug immer noch diese lächerliche, rahjanische Verkleidung. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, auf ein Rahjafest zu gehen? Es war klar, dass das schiefgehen musste. Und wie es schiefgegangen war. Sie knirschte mit den Zähnen, schaute wieder zu dem schönen Baron und schwor sich, Rahja wie früher weiterhin zu meiden. | |||
Unvermittelt drückte die die Phiole Domna Fiona in die Hand. Ihre Augen brannten. "Ich muss mich umziehen, ich bin gleich wieder zurück." Sagte es und machte sich mit wehendem Gewand, dass sich zart um ihren jugendlich schönen Körper schmiegte, auf zu ihren Gemächern. | |||
---- | |||
'''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]] | |||
Nazir von Viryamun blickte verwundert drein. Potzblitz, da rannte schon wieder jemand davon, vermutlich um auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden! Hilfesuchend blickte er zu Domna Fiona. | |||
---- | |||
'''Autorin:''' [[Benutzer:Simanca|lasdardas]] | |||
Nur aus den Augenwinkel bemerkte Domna Fiona den Blick des Viryamun, war sie doch noch damit beschäftigt, die Ergebnisse ihres Zaubers zu deuten. Zwar hatte er bestätigt, dass die Knappin wohl eine Falsche, auf jeden Fall aber beherrscht war. Doch die Art des Zaubers erschien ihr mehr als ungewöhnlich. Sie suchte erneut Melisandras Blick. | |||
Am liebsten hätte sie alle aus dem Tempel gescheucht, um sich in Ruhe des Kindes annehmen zu können. Doch da sich im Moment nichts ändern ließ, blieb ihr nur, nach Dom Leóns Hofmagierin Ausschau zu halten. Sicher würde diese ihr dabei helfen die Sache aufzuklären - oder die Leute hier entsprechend abzulenken. | |||
"Seid unbesorgt, Dom Nazir", richtete sie daher erst einmal seufzend das Wort an eben diesen. "Ich bin sicher, die Comtessa wird - schon gar nicht ohne ihre Mannen und Frauen - aus dem Taubental flüchten. Wenn es Euch beruhigt, bitte ich meine Tochter Elena, dass sie nach ihr schaut?" War sie selbst doch absolut von der Unschuld der Ehrensteinerin überzeugt. Überdies hatte sie so eine Vermutung, was der in Rahjadingen so unerfahrenen Frau hier im Rahjatempel gerade zusetzte. | |||
---- | |||
'''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]] | |||
"Aber Eure Töchter sind doch bereits ebenfalls fort!", gab der Falkenhainer verdutzt zurück und hatte damit vollkommen Recht: Während Zaida Dom Ardan nachgefolgt war, war Elena schon vor einiger Zeit gemeinsam mit Bruder Farimiro hinter einem Vorhang verschwunden. Der Mittvierziger zuckte mit den Schultern. "Lasst die Ragatierin meinethalben laufen, Domna Fiona. Es sind ja noch genug Verdächtige hier." Ein bitteres Lächeln mühte sich über seine Lippen. | |||
Er ließ Leonora mit Dom Franco, Domna Fiona und der schönen Aranierin allein und schritt zu seinem Diwan zurück um seinen dort zurückgelassenen Becher Wein - nach vorsichtigem Schnuppern - zu leeren. Seine Schwester ließ sich neben ihm nieder und die beiden begannen im Flüsterton miteinander zu tuscheln, dabei immer wieder zu dem einen oder anderen Gast aufsehend. | |||
Maestra Lariana hatte sich nach dem Wunder der Rahja neben Yedra de Bejar auf dem Diwan niedergelassen. Mit gesenktem Haupt starrte sie auf ihre eigenen Hände herab. | |||
---- | |||
'''Autorin:''' [[Benutzer:Nandra|beiras]] | |||
Nachdem er seine Tochter aus dem Tempel geschickt hatte, schien Dom Franco unschlüssig zu sein, was als nächstes zu tun sei. Er er weckte den Eindruck, als sei es ihm nicht geheuer, nun zum Warten verdammt zu sein. Langsam näherte er sich der verdächtigen Knappin, blieb aber zwei Schritt vor dieser stehen, legte den Kopf ein wenig schräg und beobachtete das Mädchen einen Moment lang. Er wirkte einmal mehr wie ein listiger Wolf, der seine Chance für einen Angriff ersann. "Wir haben hier also die jeniege, die meinem Vetter das Gift verabreicht hat. Dies steht für mich nach ihren eigenen Worten außer Frage fest. Doch scheint es mir, als zweifelten alle Anwesenden daran, dass sie es aus Boshaftigkeit oder eigenem Antrieb gemacht habe. Sind ihre Worte ein Indiz dafür, dass sie nicht wusste, was sie tat - oder ist sie nur geschickter als wir alle denken?" Seine Stimme klang nicht anklagend und scharf, sondern hatte einen eindringlichen, nachdenklichen Unterton, als sei er hin- und hergerissen, was er nun glauben solle. | |||
Kopfschüttelnd wandte er sich um und setze sich wieder neben seine Gemahlin, die das gesamte Spektakel bisher ruhig beobachtet hatte. Kurz berührten sich ihre Hände und Dom Franco drückte die kleine zarte Hand seiner Frau. "Es bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als zu warten, bis dass die in den Ort Gesandten zurückkehren mögen..." | |||
---- | |||
'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|lindholz]] | |||
Die Tochter des Grafen Brandil stürmte an Domna Siona vorbei. Sie war wohl - genau wie man sagte - eine Caballera im Herzen und die ältere Lindholzerin konnte ihre Ungeduld verstehen. Sie nahm sich vor, es ihr gleich zu tun und dem eigenen Vorschlag Taten folgen zu lassen, nachdem keine Einwände laut geworden waren. 'Qui tacet, consentire videtur<ref>bosp.: "Wer schweigt, scheint zuzustimmen."</ref>' dachte sie bei sich und trat an die kindliche Attentäterin heran: "Ihr seid erregt, Domnita. Wir sollten an einen Ort gehen, an dem Ihr Euch beruhigen könnt." | |||
"Ich weiß nicht... ich wollte doch nur... die Medizin wird dem Baron helfen!", war die zusammenhanglose Antwort des goldhaarigen Mädchens, dessen Blick unruhig durch den Raum flatterte. | |||
Sanft aber bestimmt griff Domna Siona nach dem Oberarm der Mundschenkin und diese ließ sich tatsächlich ohne größeren Widerstand durch den Kuppelsaal hinüber zu dem jungen Hospitiar führen. "Bruder...", die Yaquirtalerin überlegte einen kurzen Moment, dann entsann sie sich wieder des Namens, "... Zafir. Könnt ihr uns vielleicht ein geeignetes Gemach zur Verfügung stellen, in dem die Domnita wieder zu sich finden kann? Zudem wäre ich Euch dankbar, wenn eine Priesterin oder ein Priester uns begleitete." | |||
---- | |||
'''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]] | |||
Bruder Zafir wiegte den Kopf. "Ich weiß nicht, ob das Wirken Rahjens dazu geeignet ist, Erregung zu mindern." Er lächelte fein. "Viel eher scheint es mir - obwohl ich davon weiß die Göttin nichts verstehe -, dass die Domnita unter einer Art Zauber- oder Hexenbann steht. Vielleicht kann uns Maestra Lariana weiter helfen?" | |||
Als sie ihren Namen hörte, unterbrach die neben Domna Yedra sitzende Magierin die Betrachtung ihrer Hände und blickte auf. Ohne ein weiteres Wort stand sie auf, strich ihr Gewand glatt, ergriff ihren Spazierstock und begab sich zu Domna Siona und der auf den Lippen kauenden Leonora. | |||
Letztere fixierte sie mit festem Blick, dann hob sie ihren Spazierstock und sprach mit leiser Stimme die Formel: "ODEM ARCANUM." Ohne die Augen von Leonora zu lassen, fügte sie nach einer Weile angespannten Schweigens hintan: "Die Maid ist in der Tat von Magie umgeben. Ich will sehen, welcher Art sie ist." | |||
So ward von ihr auch die Formel ANALYS ARCANSTRUCTUR gesprochen und - wiederum für die Umstehenden unersichtlich - entzifferte die kleingewachsene Frau mit hellsichtigem Blick die Art des Zaubers. Schließlich richtete sie mit glockenheller Stimme an Domna Fiona, Domna Siona und die anderen Umstehenden: "Mit einem cantus der magia controllaria ist sie besprochen worden. Allerdings etwas... ungewöhnlicher Natur." | |||
"Was meint Ihr damit?", wollte die Franfelderin wissen. | |||
"Nun... wie soll ich das erklären? Stellt Euch die magia controllaria wie ein Seil oder einen Faden vor. Je nach Knüpfart und Dicke des Seiles kann ein Magus einen schwachen Geist zur Erfüllung eines Dienstes bewegen, zu seinem Freunde machen oder vollkommen unter seine Gewalt zwingen. In der Regel sind die Knoten kunstvoll geknüpft, je feinmaschiger das magische Netz, desto besser ist die Kontrolle. | |||
In diesem Falle jedoch ist es, als ob jemand mit viel Kraft willkürlich ein dickes Seil um den Kopf der Domnita geschlungen und irgendwie zusammengewickelt hätte. Ich habe eine solche Technik noch niemals gesehen. Es muss sich bei dem Zauberwirker um einen ziemlichen Stümper handeln, der Kunstfertigkeit durch schiere Kraft ersetzt. Oder um ein Naturtalent. Ein akademisch gebildeter Magus ist auszuschließen." | |||
---- | |||
'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|lindholz]] | |||
"Es ist äußerst beunruhigend, dass jemand, der solch finstere Pläne wider den Baron in die Wege zu leiten gewillt war, nicht nur über derartige Kräfte verfügt, sondern diese womöglich nicht einmal voll unter Kontrolle hat", konstatierte die Yaquirtaler Junkerin bestürzt. "Einer solchen Person ist dringend Einhalt zu gebieten!" Nach kurzem Nachdenken fügte sie hinzu: "Ich vermute, Ihr hättet es erwähnt, wenn es Euch möglich gewesen wäre, diesem schändlichen Zauber einem Urheber zuzuordnen." | |||
Maestra Lariana bestätigte dies mit einem Nicken: "Jedoch sollte ich - die richtigen Umständen vorausgesetzt - in der Lage sein, durch einen Abgleich der astralen Matrices und der spezifischen Eigenarten ebenselbiger, den Verdacht gegen einen Verdächtigen zu erhärten oder abzumildern, so sich eine solche Persona finden lässt." | |||
"Das wird wohl der schwierige Teil", stimmte Domna Siona zu und wandte sich dann erneut dem schönen Hospitiar zu. "Um ganz offen mit Euch zu sein, Bruder Zafir, hatte ich auch deshalb um die Anwesenheit eines Mitglieds Eures Ordens gebeten, damit die Worte der jungen Domnita und mögliche Ereignisse während der Befragung von jemandem wiedergegeben werden können, der über jeden Zweifel der Befangenheit und Parteinahme erhaben ist. Aus diesem Grunde wäre mir auch noch weiterhin daran gelegen. Ich hoffe immer noch darauf, dass das Mädchen sich vielleicht an etwas von Bedeutung erinnert. Dieser Zauber muss doch irgendwann an Wirkung verlieren, bei Praios' Licht!" | |||
---- | |||
'''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]] | |||
"Wir sind ja alle hier, Wohlgeboren, und hören, was das Kind uns sagt", lächelte Bruder Zafir milde und wies auf den Abt und die anderen Catalinenser, die sich um die übrigen, verwirrten Gäste kümmerten, teils aber auch selbst etwas ratlos umherstanden. "Vielleicht könnte Maestra Lariana einen Gegenzauber...?" | |||
"Gewiss, Bruder Zafir. Doch die Antimagie ist kein Spezialgebiet von mir. Daher benötige ich etwas Zeit um mich auf einen cantus zu konzentrieren, der die Beherrschung des Mädchens aufhebt. Ich bitte um Geduld. Ich vermute, dass es hinterher noch verwirrter sein wird als zuvor, denn wenn ich die magischen Knoten um ihr Haupt löse, so wird sie wie aus einem Schlaf erwachen. Ich bitte um absolute Ruhe, um mich zu konzentrieren." | |||
Dieses Mal nahm Maestra Lariana zuerst das Haupt Leonoras in beide Hände und blickte ihr tief in die Augen. Als sich diese angsterfüllt weiteten, lächelte die Magierin zuversichtlich und strich der Domnita beruhigend über die Locken. "Schließt Eure Augen, Domnita." Leonora blickte zögerlich drein, schloss dann aber beide Augen. Die Umstehenden hielten den Atem an. | |||
---- | |||
'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|lindholz]] | |||
Domna Siona zog eine Augenbraue hoch, nickte aber verstehend. Sie hielt zwar nach wie vor die Befragung in einer so großen Gruppe für einen Fehler, aber da die Magistra um Ruhe bat, behielt sie ihre Bedenken für sich und zog sich vorerst zu ihrer im Halbschatten liegenden Chaiselongue zurück und nahm darauf Platz, während Lariana Lampérez die nötigen astralen Muster zu formen begann. Von hier hatte die Yaquirtalerin einen guten Überblick über alles, was sich in dem großen Tempelsaal, dessen Schönheit ob der Ereignisse fast in Vergessenheit geriet, abspielte. | |||
---- | |||
'''Autorin:''' [[Benutzer:Romina Alba|ehrenstein]] | |||
Derweil war die Grafentochter in ihrem Gemach angekommen. Sie schloss die Tür und sah sich um. In was war sie hier hineingeraten? Sie hatte nur ihre zukünftige Knappin begleiten wollen und jetzt fand sie sich in einer Fehde wieder. Blitzschnell überschlug sie in Gedanken die Verbindungen von Vivar und Streitzig. Die Ehrensteiner waren in solchen Sachen außen vor; ihr Vater schien den [[Magnat]]en nicht streitwürdig genug. Sie musste lächeln. Sie liebte ihren Vater, doch er war nie richtig in Almada angekommen. | |||
Es gab einen angeheirateten [[Familia von Rebenthal|Rebenthal]] bei den Vivar. Sie schnaubte kurz. Kurz bevor sie hierher aufgebrochen war, hatte sie noch nachgelesen, dass jener Rebenthal sich aus der großen Yaquiertalfehde rausgehalten hatte. Außerdem konnte Dom Léon nichts für diesen Schwager. Gerüchtehalber war die Braut einem Anderen versprochen gewesen und hatte schwanger geheiratet. | |||
Sie schlüpfte behände aus dem Kleid und legte das kostbare Stück aufs Bett. | |||
Was wusste sie noch von den Vivar? Sehr alter, stolzer Adel, doch seit Dom Leóns Mutter hatte zum Entsetzen vieler Magnaten einen Ausländer aus der [[avwik:Familie Dhachmani|Händlerfamilia Dhachmani]] verheiratet. Der schöne Baron war ein halber Händler und wilder Abenteurer. Seine ebenso schöne Schwester diente erfolgreich komponierend dem Kaiser. Dann die Sache mit [[Gonzalo di Madjani]]. Die Aussage des Vivars hatte diesen und einige andere Magnatensprösslinge vor die Kaiserin gebracht und der halben Ehre beraubt. Sie hatte den alten Bericht im Archiv des [[Castillo Ragath|gräflichen Castillos]] nur überflogen und erst interessiert gelesen, als [[Richeza von Scheffelstein]] erwähnt worden war. | |||
So etwas interessierte die Familia von Streitzig nur oberflächlich. Die "Freundschaft" zu dem alten Madjani war immer von Nutzen, aber auch von Vorsicht geprägt gewesen. Außerdem war Dom Gonzalo längst tot und sein kindlicher Enkel, Rominas Vetter, war der letzte seines Geschlechts. | |||
Romina stand kurz unschlüssig vor den wenigen Sachen in ihrem Kleiderschrank und zog dann die weißblaue Junkertracht mit dem Wappen der Streitzig heraus. Wenn sie sich schon einmischte, dann unter dem blauweißen Schimmel, den man in Almada achtete und fürchtete. Kurz zögerte sie. Die Farben waren denen der Vivar sehr ähnlich. | |||
Wer wohl der Gegenspieler in diesem Schlagabtausch war? Diesen Alstinger, ehemals hier Baron, kannte sie nicht. Entschlossen begann sie sich anzukleiden. Wie auch immer, er oder sie hatte den Baron vergiftet. Allein das war verdammenswert. Es dann auch noch im Rahjatempel auf des Vivars eigenem Fest zu tun war bösartig. Sie würde das niemanden durchgehen lassen. Nicht einmal dem Kaiser selbst, bei Praios! | |||
Sie schlüpfte in die schwarzen Stiefel und schnappte sich den Cadabreser. | |||
Dass es der Kaiser war, war wohl eher unwahrscheinlich, es sei denn, der schöne Baron hat sich an die Novad rangemacht. Sie musste lächeln. So weit würde der fesche Domjuan bestimmt nicht sinken, aber sie würde es ihn trotzdem irgendwann fragen, nur um sein verblüfftes Gesicht zu sehen. Wenn er überlebte. Sie spürte kurz einen Stich in der Herzgegend, ihr Lächeln erstarb und sie machte sich auf, um in den Tempel zurückzukehren. | |||
---- | |||
'''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]] | |||
Die Caballera Romina von Ehrenstein-Streitzig, gewandet in ihr weißblaue Reisegewand, betrat gerade wieder die Tempelhalle, als Maestra Lariana ihren Spazierstock hob und dreimal sanft mit dessen Knauf gegen die Stirn Leonoras klopfte. Zwei Mal geschah nichts. Doch beim dritten Mal begannen die goldenen Locken Leonoras zu glänzen und zu schimmern, als ob sie tatsächlich aus lauterem Gold wären. | |||
Verwundert schlug Leonora vom Berg die Augen auf und blickte erst Maestra Lariana, dann Dom Franco, dann die anderen Gäste an, als sähe sie sie zum ersten Male. Als sie verwirrt den Kopf schüttelte, lösten sich winzig kleine Goldflöckchen aus ihrem Haar, die sich, sobald sie den Boden berührten, in Luft auflösten. | |||
Maestra Lariana lächelte fein und verneigte sich vor Dom Franco, Domna Romina und den anderen: "Nun könnt Ihr Eure Befragung fortsetzen, Hoch- und Hochwohlgeborene Herrschaften. Das Kind ist von der Beherrschung befreit." | |||
---- | |||
'''Autorin:''' [[Benutzer:Romina Alba|ehrenstein]] | |||
Den Caldabreser vom Kopf ziehend trat die Grafentochter nach vorne und senkte kurz respektvoll das Haupt. "Habt Dank, Maestra, sowohl für Eure Kunst als auch für deren Ausführung. Wäre der Anlass nicht so düster, würde ich Euch um eine weitere Demonstration bitten. Doch so ist es besser, wenn Ihr Eure Kräfte spart. Wer weiß, was diese Nacht uns noch bringt." | |||
Sie wandte sich an die Anwesenden. "Ich bitte meine vorhergehende Unsicherheit zu entschuldigen. Ich werde mich ab jetzt zielgerichtet um die Aufklärung dieser Untat bemühen. Domnatella vom Berg", wandte sie sich sanft an die Knappin, " wie geht es Euch? Wisst Ihr, wo Ihr seid?" | |||
---- | |||
'''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]] | |||
Leonora vom Berg begegnete der Grafentochter mit festem, klarem Blick. "Ja, Hochwohlgeboren, ich weiß, wo ich bin. Fragt nur!" | |||
Yashima saba Dhachmani betrachtete derweil fasziniert den aus den Haaren fallenden Goldstaub. Als sie danach griff, löste er sich jedoch in ihren Händen in Luft auf. Enttäuscht zog sie die Hand wieder zurück. | |||
---- | |||
'''Autorin:''' [[Benutzer:Romina Alba|ehrenstein]] | |||
Die Angesprochene nickte. "Gut, Leonora, an was erinnerst du dich? Du hast dem Baron de Vivar etwas in den Wein getan. Weißt du, wer es dir gegeben hat? Vielleicht war es auf deiner Reise oder hier in Santa Catalina?! War da jemand, der dir eigenartig vorkam, jemand, der dich ansprach, ohne dass du ihn oder sie kanntest?" | |||
---- | |||
'''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]] | |||
Einen Moment dachte Leonora nach. Dann nickte sie. "Ja, ich erinnere mich. Es war am heutigen Nachmittag. Mein Herr war öffentlich von einem Trovere in seiner Ehre gekränkt worden und wütend aus der Villa gestürmt um den 'frechen Maulheld', wie er ihn nannte, zur Rechenschaft zu ziehen. Das Volk zog mit ihm zu jenen Wiesen, auf denen die Pilger lagern, denn dort vermutete man den Trovere. | |||
Ich blieb zurück in der ''Villa Azucena''. Nach einer Weile erschien eine Frau im Hause und sprach mich an. Dass sie eine Freundin meines Herrn Vaters und entfernte Verwandte des Herrn Barons sei und dass sie sehr besorgt um seine Gesundheit sei. Als ich fragte, was meinem Knappherrn denn fehle, da wunderte sie sich, dass ich nicht von seiner Krankheit wüsste und klärte mich auf über die... über die Medizin, die er stets einzunehmen habe. | |||
Sie war so überzeugend und so freundlich, dass ich glaubte mich zu erinnern, sie bereits einmal am Tische meines Vaters gesehen zu haben und nicht nur das, ich glaubte, dass sie eine treue Freundin meiner Mutter sei. Jetzt weiß ich, dass das nichts als Lüge war, Euer Hochwohlgeboren." | |||
---- | |||
'''Autorin:''' [[Benutzer:Simanca|lasdardas]] | |||
Mit gerunzelter Stirn hatte Fiona dem Bericht der Knappin gelauscht und warf nun einen skeptischen Blick zu ihrer Vertrauten Melisandra hinüber. Zu gerne hätte sie sich mit ihr über das Zauberwerk ausgetauscht, das diese Unbekannte über Domnatella Leonora gesprochen hatte. Doch hier inmitten der Feiernden war dies quasi undenkbar. Zumal es auch wenig bringen würde sich darüber auszutauschen. Zuvorderst wäre zu klären, wer diese Frau gewesen war - und wie sie unverrichteter Dinge einfach in die Villa Azucena hatte spazieren können. War sie etwa gar eine hier ansässige oder Dom León gut Bekannte gewesen? | |||
Nur ungern mischte sie sich in Domna Rominas Befragung der Knappin ein, als sie das Wort ergriff: "Sag mir, Kind, wie diese Frau ausgesehen hat. Versuch dich so gut es geht an sie zu erinnern." | |||
---- | |||
'''Autorin:''' [[Benutzer:Romina Alba|ehrenstein]] | |||
Romina lächelte und nickte bekräftigend. "Ja, Kind, beschreibe die Frau, hat sie dir ihren Namen genannt?" Sie wandte sich halb an Domna Fiona, sah aber auch in die Runde. "Vielleicht sollten wir in die Villa gehen und das Gesinde befragen?!" | |||
---- | |||
'''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]] | |||
Leonora schüttelte den Kopf. Nein, einen Namen hatte die Frau nicht genannt. Dann dachte sie nach. "Die Frau hatte ein edles Antlitz mit einer Adlernase und ihre Augen, das fiel mir auf, ihre Augen waren grün. Sie war etwa so alt wie..." Suchend wanderte ihr Blick durch das Tempelrund und blieb an Domna Fiona hängen. "So alt wie Domna Fiona, Euer Hochwohlgeboren. Sie trug auch Gewänder, wie sie für eine Domna von Stand schicklich sind. Ihre Sprache aber war derb, wie von der Gosse abgeschliffen. Dennoch war sie freundlich, sehr freundlich, ja." | |||
---- | |||
'''Autorin:''' [[Benutzer:Romina Alba|ehrenstein]] | |||
Domna Romina wandte sich Leonora zu und nickte. "Eine Gemeine, die sich wie Eine von uns kleidete. Wie konnte sie in das Haus des Vivars gelangen, ohne aufzufallen?!" Sie schüttelte verständnislos den Kopf und sah zu Bruder Zafir. "Euer Gnaden, könntet ihr jemanden mit Schriftkenntnissen zur unserer Verfügung stellen. Die Dinge müssen aufgeschrieben werden." Ihr Blick glitt zu dem fahlen Baron und der welkenden Rose. "Ich werde diktieren, was passiert ist und was wir bisher wissen." | |||
Sie sah zurück zu der Domnatella. "Setz dich hierhin", deutete sie auf ein Kanapee, "und überlege gut, an was du dich noch erinnerst. Hatte die Frau ein besonderes Schmuckstück, eine Waffe oder sonst etwas bei sich? Einen Beutel oder Rucksack, aus dem sie die Phiole zog? Alles ist wichtig! Über was sprach sie? Wer von den Bediensteten brachst sie zu dir? Wer war in der Nähe? Was tat sie mit ihren Händen?" | |||
Die Knappin setzte sich gehorsam hin und dachte nach, während Bruder Zafir nach einem Schreiber schickte. | |||
---- | |||
'''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]] | |||
Unglücklich schüttelte die Knappin den Kopf. Ihr schien erst jetzt wirklich bewusst zu werden, dass sie selbst die Vergiftung ihres Herrn verschuldet hatte. "An all diese Dinge erinnere ich mich nicht mehr, Euer Hochwohlgeboren", sagte sie schließlich. "Ich glaube nicht, dass sie bewaffnet war. Es war mir auch gleich, denn ich hielt sie für meine Freundin. Vielleicht trug sie eine Halskette, vielleicht auch nicht. Lippenrot hatte sie aufgetragen - dessen bin ich mir sicher. Aber das ist während der Feierlichkeiten hier im Dorf vermutlich nichts Außergewöhnliches. | |||
Von den Dienern waren einige mit Seiner Hochgeboren hinausgestürmt. Einige machten auch Besorgungen. Ich glaube, nur die Alte, äh... die Majordomina war da, im Obergeschoss. Vielleicht noch der Koch, aber dann in der Küche, die nach hinten rausgeht. Und die Tür stand ja noch offen. Da ist die Frau mit der Adlernase just eingetreten. Draußen war die Menge mit der Suche nach dem Trovere beschäftigt. Das fiel keinem auf." | |||
In diesem Moment betrat Schwester Eulalia aus Brilond, die den Daliaser auf den Abtritt begleitet hatte, mit einem Schreibbrett, einem Bogen Papier, Feder und einem Tintenfässchen wieder den Tempel. Bruder Zafir wies auf Domna Romina, und die Laienschwester kam wiegenden Schrittes näher. | |||
"Ihr wollt etwas aufschreiben lassen, Euer Liebden?" | |||
---- | |||
'''Autorin:''' [[Benutzer:Romina Alba|ehrenstein]] | |||
Kurz war die Comtessa ob der Anrede irritiert, dann nickte sie und begann gewissenhaft, mit Hilfe der Anwesenden den Abend zu rekonstruieren. Immer, wenn man sich über etwas einig war, ließ sie es aufschreiben. Es dauerte geraume Zeit, doch schlussendlich waren alle zufrieden. Romina ließ alle wichtigen Anwesenden als Zeugen vermerken und bat die Geweihten das Schriftstück zu verwahren. | |||
Danach ließ sie sich auf einen Diwan sinken. | |||
"Wo, bei allen Zwölfen, bleiben Zaida und von Kündoch? Es kann doch nicht so schwer sein, irgendeinen Heiler aufzutreiben!" Ihr Blick glitt zum schönen Baron, sie schluckte und bat ihn im Stillen durchzuhalten. | |||
---- | ---- | ||