Chronik.Ereignis1036 Besuch im Vanyadâl 22: Unterschied zwischen den Versionen
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"Tz, tz ... nicht doch!", beschwichtigte ihn Praiosmin. "Sie bleiben einfach nur in ihrer Zelle, die Tür bleibt die ganze Zeit zu, und nach drei vier Tagen ohne Wasser und Brot hat sich die Sache ohnehin von alleine erledigt. Wir krümmen ihnen kein Haar und begraben ihre Leiber dann einfach auf dem Anger der Gehenkten, wo auch der Schlehener liegt. Nur ihre Gewandung heben wir auf, damit sie im Frühjahr gefunden werden kann. Wenn es stimmt, dass Morena von Harmamund die Scheffelsteinerin und die Schwester des Alten in ihrer Gewalt hat, dann sind nur noch die zwölfmal verfluchte Rifada und der Herumtreiber Lucrann auf freiem Fuß, der meinem Sohn sein rechtmäßiges Land vorenthält. Unser endgültiger Sieg in dieser Fehde ist nun zum Greifen nah! Und die guten Götter wollen ihn, Praios voran - ansonsten hätte sich der alte Narr nicht aus freien Stücken in meine Gefangenschaft begeben." | "Tz, tz ... nicht doch!", beschwichtigte ihn Praiosmin. "Sie bleiben einfach nur in ihrer Zelle, die Tür bleibt die ganze Zeit zu, und nach drei vier Tagen ohne Wasser und Brot hat sich die Sache ohnehin von alleine erledigt. Wir krümmen ihnen kein Haar und begraben ihre Leiber dann einfach auf dem Anger der Gehenkten, wo auch der Schlehener liegt. Nur ihre Gewandung heben wir auf, damit sie im Frühjahr gefunden werden kann. Wenn es stimmt, dass Morena von Harmamund die Scheffelsteinerin und die Schwester des Alten in ihrer Gewalt hat, dann sind nur noch die zwölfmal verfluchte Rifada und der Herumtreiber Lucrann auf freiem Fuß, der meinem Sohn sein rechtmäßiges Land vorenthält. Unser endgültiger Sieg in dieser Fehde ist nun zum Greifen nah! Und die guten Götter wollen ihn, Praios voran - ansonsten hätte sich der alte Narr nicht aus freien Stücken in meine Gefangenschaft begeben." | ||
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'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|Lindholz]] | |||
Amaros blickte Amando Laconda da Vanya verblüfft an, als die Reichsvögtin mit einem selbstgefälligen Lächeln die Tür schloss, woraufhin man das Schaben des Riegels und das Klacken des Schlosses vernahm. Sein Gegenüber hingegen seufzte lediglich mit traurigen Augen: "Ich habe die Reise nach Castillo Albacim angetreten, um jemanden ausfindig zu machen, der den Pfad verlassen hat, den uns die Zwölfe vorgeben - und wie es scheint, ist dies mir auch gelungen. Ich wünschte nur, es wäre anders gekommen." | |||
"Falls Eure Eminenz damit meint, dass Ihr lieber mich als Ketzer entlavft hättet, so kann ich mich diesem Wunsche leider nicht anschließen", kommentierte der Magier die Bemerkung des Großinquisiors trocken und zerrte an seinen Fesseln, "Eure Eminenz wäre nicht zufällig willens und in der Lage, diese Stricke zu lösen? Das würde meine Lage schon erheblich verbessern." | |||
"Die bedauerliche Tatsache, dass Ihre Hochgeboren auf einen Irrweg geraten scheint, entlastet Euch nicht vom Vorwurf, gegen die Gebote der Götter verstoßen und die Toten aus Ihren Gräbern erhoben zu haben. Ich kann Euch nicht diese Erleichterung verschaffen, Dom Amaros, solange diese Anklage noch im Raum steht, auch wenn ich in Euren Worten bisher keine Lüge erkennen konnte", widersprach der Illuminatus. | |||
"Nekromantie?", fragte der junge Zauberer erstaunt, "Wie kommt denn... ach, das spielt ja keine Rolle. Ich kann Euch versichern, dass ich mich nicht darauf verstehe, solch widernatürliches Werk zu vollbringen, wie Ihr es eben beschrieben hat. Ich habe mein [[lfwiki:Akademie der Erscheinungen zu Grangor|Studium in Grangor]] abgeschlossen, beschäftige mich daher vor allem mit der Magica Phantasmagorica und weiß wenig von Beschwörungen aller Art. Ich kann diese Aussagen gerne unter Eid wiederholen, so Ihr darauf besteht. Hier, bitte, prüft auch mein Siegel." Sogleich öffnete Amaros von Lindholz seine Hand, in deren Fläche das Zeichen der Akademie klar zu erkennen war. | |||
Der alternde Illuminatus der Lichtei Almada nahm sich die Zeit, das Siegel gründlich zu inspizieren, obwohl er schon zuvor ein recht gutes Bild vom Charakter des jungen Mannes gewonnen hatte. Nach kurzem Abwägen entschloss er sich dementsprechend auch, die Knoten zu lösen, die den Zauberer an die Schlafstatt banden. Dieser richtete sich mühsam auf. | |||
"Meine Zauberei kann uns zwar diese Tür nicht öffnen", merkte Amaros von Lindholz an, während er sich die schmerzenden Gelenke massierte, "Jedoch werde ich alles in meiner Macht Stehende tun, um uns aus dieser misslichen Lage zu befreien, Euer Eminenz." | |||
Doch der Großinquisitor schüttelte energisch das Haupt und seine Augen blitzten vor Stolz: "Ein solch nichtiger Rückschlag wird mich sicherlich nicht an dem Licht des Götterfürsten zweifeln lassen, das mich hierher geführt hat. Seid völlig unbesorgt, Dom Amaros." | |||
Die beeindruckende Gestalt des Großinquisitors nahm neben dem zweifelnd dreinschauenden yaquirtaler Magier Platz und schloss die Augen: "Ich werde die Kirche über unsere Lage in Kenntnis setzen." Ein Ausdruck des Friedens breitete sich auf den Zügen des alten Mannes aus, die von einem sanften Licht erhellt wurden, obwohl der schwache Schein von Draußen durch das winzige Gitterfenster nur bis zu ihren Füßen drang. Dann öffnete Amando Laconda da Vanya wieder die Augen und verkündete voller Ruhe: "Es ist geschehen." | |||
"Seid bedankt, Euer Eminenz", erwiderte Amaros von Lindholz. ''Falls wir dies nicht überleben, wird es dieser Wahnsinnigen wenigstens nicht besser ergehen.'' Er hatte die Zeit genutzt, sich seine verletzte Schulter etwas genauer anzusehen, die der Medicus der Reichsvögtin versorgt und mit einigen Stichen genäht hatte. Er verstand sich nicht groß auf diese Dinge, doch erschien ihm die Entzündung, die ihn ins Fieber gestürzt hatte, langsam abzuklingen und die Heilung der Wunde den Umständen entsprechend gut vorangeschritten zu sein. Ob wohl eine Narbe zurückbleiben würde? Es wäre seine erste; bisher hatte er Unschönheiten dieser Art mit Heilzauberei verhindern können. Vielleicht war ein solches Andenken jedoch gar keine schlechte Lehre - es anzusprechen, seine Kräfte für eine solche Lappalie nutzen zu wollen - und das auch noch in Gegenwart eines Mitglieds des Rats des Heiligen Lichts, kam ihm ohnehin reichlich unwürdig vor. Er würde sich unter dem gestrengen Blick des Älteren nur wie ein gescholtener Scholar im ersten Jahr fühlen! So schwieg er und überlegte, was nun zu tun war. | |||
'''Vor der Kerkertüre''' | |||
"Seid Ihr von Sinnen, Mutter?" Aureolus von Elenta hätte sich die Haare raufen können, doch er beließ es dabei, sich einmal mit der Rechten über den blonden Schopf zu fahren. Die goldenen Augen verrieten jedoch seinen Zorn und schienen regelrecht in Flammen zu stehen. Das Vermögen seiner Mutter war ihm stets willkommen, doch sie selbst entwickelte sich immer mehr zu einer Last, die den Schutz und die Förderung, die sie ihm angedeihen ließ, zunehmend weniger auszugleichen vermochte. | |||
"Nicht den Zauberer solltet ihr fürchten, sondern diesen greisen da Vanya! Sein Körper mag durch das Alter geschwächt sein, doch die Macht seines Gottes wird ihm Fähigkeiten eröffnet haben, die die eines profanen Menschen bei Weitem überschreiten. Wie könnt Ihr nur glauben, ein so ranghohes Mitglied der Reichskirche einfach gefangen nehmen zu können?" Aufgeregt schritt der Mann, der sich trotz seiner zwanzig Lenze in diesem Augenblick eher wie der vernünftige Vater, denn der jugendliche Sohn der Reichsvögtin vorkam, den Kerkergang auf und ab. "Niemals werde ich diese Zelle betreten und mich diesem Mann stellen... Ihr hättet ihn töten sollen! Schnell und ohne Warnung. Bevor der Alte wissen konnte, wie ihm geschieht, wäre es vorüber gewesen, doch diese Gelegenheit ist vertan. Jetzt ist er vorbereitet und selbst wenn ein ganzer Trupp Soldaten in die Zelle passen würde, würde ich nicht darauf wetten, dass sie die beiden Insassen noch ausschalten können. Wenn ihr meinen Rat hören wollt: Fallt vor diesem elenden da Vanya auf die Knie und bettelt um Vergebung. Vielleicht könnt Ihr so Euer Amt retten... oder wenigstens Euer Leben." | |||
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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]] | |||
"Nicht in diesem Ton, mein Junge!", wies Praiosmin von Elenta ihren Filius mit drohendem Zeigefinger zurecht. "Bedenke, dass du zu deiner Mutter sprichst!" Zufrieden nahm sie zur Kenntnis, dass hinter ihrem schmollenden Sprössling die regungslosen Leiber dreier ohnmächtiger Männer vorbeigetragen wurden, die nur noch ihre Unterkleidung trugen und von ihren Lakaien in die Zelle gegenüber vom Magier und Großinquisitor geworfen wurden. Das Schlafgift, dass ihr einst Aureolus' Vater zum Willfährig-Machen ungebetener Gäste überlassen hatte, war also immer noch zu gebrauchen. | |||
"Ich falle vor ''niemandem'' auf die Knie, merk' dir das!", fuhr sie fort. "Nicht vorm Grafen, nicht vorm Fürsten, nicht einmal vor der Kaiserin! Und ganz sicher nicht vor einem da Vanya! Drei, vielleicht vier Tage - und die beiden werden verhungert und verdurstet sein! Anstatt deiner guten Mutter Vorwürfe zu machen, wirst du dich jetzt mit deinen Zauberkräften nützlich machen, mein Sohn!" Sie hakte sich bei Aureolus ein und führte ihn die Kerkertreppe hinauf, wieder zurück ans Tageslicht. Zwei ihrer Büttel hatten befehlsgemäß vor den Kerkerzellen Stellung bezogen. | |||
"Ich will, dass du die magischen Bücher deines Vaters nach einem Zauber durchforstest, der dir den derzeitigen Aufenthaltsort von Personen verrät. Und wenn du dazu einen Geist oder Dschinn befragen musst - oder meinetwegen die tote Amazone! Wenn es wahr ist, dass Morena von Harmamund die alte Belisetha und die verfluchte Scheffelsteinerin in ihrer Gewalt hat - und ich habe den Alten höchstselbst gefangen - dann fehlen uns nur noch das Pestweib Rifada und Lucrann von Schrotenstein - der dir das Erbe deines Vaters gestohlen hat - um diese Fehde zu gewinnen und den Stammbaum dieser Hunderasse ein für allemal abzuhacken! Also frisch ans Werk! Ich will so schnell wie möglich wissen, wo sich die beiden letzten noch fehlenden da Vanyas herumtreiben!" | |||
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'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|Lindholz]] | |||
'''Burg Albacim, nachts''' | |||
"Ich hoffe, du hast gute Nachrichten, mein Sohn", setzte Praiosmin von Elenta schon an, als sie gerade erst den Fuß über die Schwelle der Turmkammer setzte, in der sie alles verwahrte, was ihr von ihrem Geliebten geblieben war, "Es ist schon spät und es gibt wichtige Dinge, die meiner harren." Genau genommen waren die wichtigen Dinge ein Bett und der Schlaf, den sie dringend benötigte. Es war schließlich ein ereignisreicher Tag gewesen und sie war keine Zwanzig mehr. Doch das würde sie ihrem Sohn sicher nicht auf die Nase binden. Er benahm sich ihr gegenüber jetzt schon ungebührlich - da würde sie ihm das Futter nicht auch noch zuwerfen, das seinen Hochmut nährte. Hinter dem von einer Öllampe beschienen Sekretär richtete sich ihr Sohn auf und lächelte ihr zu. | |||
"Wie schön, dass ihr so schnell gekommen seid, Mutter. Ohne Euch kann ich die nächsten Schritte nicht in die Wege leiten", verkündete er. | |||
"Was hast du hier nur angestellt?" Die Reichvögtin blickte sich pikiert um. Die Kammer war ein einziges Durcheinander! Überall lagen Bücher zu Stapeln aufgetürmt auf dem Boden, Tinkturen und Gerätschaften standen im Raum verteilt. | |||
"Oh das?", fragte Aureolus und ließ den Blick umherschweifen, als würde ihm erst jetzt auffallen, in welchen Zustand er das Zimmer versetzt hatte, "Ich bitte Euch, das Chaos zu entschuldigen, aber ich musste einige Werke im Nachlass meines Vaters ausfindig machen, die sich sicher als nützlich erweisen werden. Kommt doch, liebe Mutter, kommt her und setzt Euch zu mir." | |||
Die Reichsvögtin trat an den Schreibtisch herran, nahm jedoch davon abstand, sich auf dem Stuhl niederzulassen, der davor stand: "Wie ich bereits erwähnte, habe ich nicht viel Zeit, also kommen wir doch gleich zur Sache: Deinen Äußerungen entnehme ich, dass du in den Büchern einen Weg gefunden habt, Rifada da Vanya und Lucrann von Schrotenstein ausfindig zu machen?" | |||
"Wenn es möglich wäre, so einfach einen Geist oder Dämon zu rufen , um ihn zu einem solchen Dienst heranzuziehen, liebe Mutter, glaubt Ihr wirklich, ich hätte damals meine ehemalige Meisterin, Mordaza Maraneta, aufgesucht, als Euch der Briefwechsel mit meinen Vater abhanden gekommen ist?" | |||
Schon wieder dieser herablassende Tonfall! Drohend hob die Reichsvögtin den beringten Zeigefinger, als ihr Sohn beschwichtigend die Arme hob. | |||
"Dennoch habe ich einen Weg gefunden, uns aus dieser vertrakten Lage zu befreien Mutter." | |||
"Vertrakt?", erwiderte seine Mutter verwirrt und verdrehte dann die Augen, als sie zu verstehen begann, "Du machst Dir doch nicht immer noch Gedanken darum, dass mir die Lage aus den Händen gleiten könnte?" Tatsächlich glaubte sie Sorge in den sonst so stolzen Augen ihres Kindes erkennen zu können. Eilig trat sie um den Sekretär herum, wodurch ein Bücherstapel aus dem Gleichgewicht geriet. Zärtlich umschloss Praiosmin das Gesicht ihres Sohnes mit ihren fleischigen Händen. "Deine Bedenken sind nur ein Phantasiegebilde, mein Kind: Deine liebe Mutter hat die Zügel fest im Griff. Schon bald werden wir endgültig über unsere Feinde triumphieren." | |||
"Ich fürchte, Ihr irrt Euch, liebste Mutter, die Fäden sind Euch schon längst entglitten", entgegenete Aureolus und konnte in den Zügen seines Gegenübers sehen, wie die mütterliche Liebe von ebensolcher Strenge abgelöst wurde. | |||
Bevor Praiosmin jedoch zu einer angemessenen Schelte ansetzen konnte, griff Aureolus nach etwas, was sich im Schatten der Stapel auf dem Sekretär verborgen hatte. Die Reichsvögtin erbleichte als sie die Klinge eines Dolches im Schein der Öllampe aufblitzen sah. | |||
"Bei den Göttern, was hast Du vor?" brachte Praiosmin von Elenta entsetzt hervor. | |||
"Verzeiht mir Mutter, ich wünschte, ihr würdet verstehen, dass dies der einzige noch mögliche Weg ist." | |||
'''Im Kerker der Burg, wenig später''' | |||
Es musste schon nach Mitternacht sein, doch Boron wollte ihm einfach keinen Schlaf schenken. Verärgert drehte sich Amaros von Lindholz auf die Seite, obwohl er wusste, dass er auch in dieser Lage keine Ruhe finden würde. Er hatte dem Großinquistor die Bettstatt angeboten, doch dieser hatte abgelehnt; er wolle noch etwas meditieren. Amaros selbst hatte dennoch kein Auge zugetan und konnte nun sehen, wie sich die Umrisse des Praiosgeweihten bewegten und der ältere Mann sich erhob. Wie lange hatte der seine Eminenz in innerer Einkehr zugebracht? Vielleicht schien ihm die Zeit nur so lang, weil das Gefühl des Eingesperrtseins seine Gedanken endlos kreisen ließ, ohne ihm eine Lösung zu eröffnen. | |||
"Nun, Euer Eminenz? Hat Euer Gebet Euch einen Ausweg aus unserer Lage eröffnet?" fragte der yaquirtaler Magier, nachdem er sich aufgesetzt hatte. | |||
"Ihr seid ungeduldig, mein junger Freund. Der rechte Weg wird sich zeigen, sobald die Zeit gekommen ist", antwortete Amando Laconda da Vanya gelassen. | |||
''Ich hoffe, er zeigt sich bald. Sonst werden nur unsere aufsteigenden Seelen dieser Gefangenschaft entkommen'', ging es Amaros von Lindholz durch den Kopf, doch sprach er seine Gedanken nicht aus. Ihm klebte die Zunge am Gaumen, er war erschöpft, aber dennoch verdiente sein Mitgefangener mehr Respekt als solch eine Bemerkung. | |||
Erneut bot er dem Illuminatus die Bettstatt an und dieses Mal nahm der Ältere die Offerte dankend an. Er selbst ließ sich daraufhin an der Wand, die am weitesten von dem Eimer entfernt war, der ihnen für ihre Notdurft diente, nieder. Trotz allem sollte er sich glücklich schätzen, dass seine Eminenz nun bei ihm weilte. Zwar verweigerte man ihm seitdem jegliche Verpflegung, doch war ihm wohl so wenigstens die Folter erspart geblieben. Und ob die Reichsvögtin ihn, den sie als Verräter und Ketzer sah, danach hätte ziehen lassen, stand ebenso zu bezweifeln. Sicherlich war er nicht der erste Zauberkundige, der von einem Großinquistor in einer Zelle besucht wird, aber ob er gar der erste war, der sich eine Zelle mit einem solch hohen Gesandten der Reichskirche teilte? Das würde auf Dere eine ebenso gute Geschichte abgeben wie im Jenseits - davon war er überzeugt! Schon wollte er Dom Amando fragen, ob seine Eminenz von einem solchen Fall gehört hatte, als das Geräusch des sich mit einem Klacken öffnenden Schlosses seinen Kopf in Richtung der Tür herumfahren ließ. Als die Pforte aufschwang, konnte er im hellen Licht der Fackel nur die Umrisse einer massiven Person erkennen und musste einige Male blinzeln, bis er seinen Verdacht bestätigten konnte. | |||
"Domna Praiosmin?" brachte er entgeistert hervor, doch die Reichsvögtin beachtete ihn nicht. Mit starrem Blick wandte sie sich dem Großinquistor zu, der schon auf den Beinen war, was Amaros von Lindholz dazu brachte, sich ebenfalls aufzurichten. | |||
"Lasst sofort den Dolch fallen, Euer Hochgeboren", gebot der Illuminatus und erst jetzt bemerkte Amaros die blanken Klinge in der Hand der Domna. Diese zeigte jedoch keinerlei Drang, der Aufforderung nachzukommen und bewegte sich einen weiteren Schritt auf den gestreng dreinschauenden Geweihten zu. Der Großinquisitor erhob daraufhin noch einmal die Stimme, doch dieses Mal schienen seine Worte durch Mark und Bein zu fahren: "Im Namen des Herren Praios. Lasst Eure sinistren Pläne fahren und tretet in das heilige Licht." | |||
Mit Entsetzen beobachtete der junge Magier, wie sich das Gesicht der Reichsvögtin zu einer Maske des Schmerzes verzog. Der Dolch in ihrer Hand zitterte, als würde sie gegen einen ungeheuren Drang ankämpfen! | |||
"Lasst den Dolch sofort fallen, Domna Praiosmin! Praios will es!" donnerte nun der Großinquistor und mit einem gellenden Schrei fiel zuerst der Dolch und dann die Reichsvögtin selbst zu Boden. | |||
"Was... was hat das zu bedeuten?" Im Gang erschienen die verängstigten Gesichter zweier Wachmänner. | |||
"Ihre Hochgeboren stand unter dem Einfluss eines finsteren Zaubers." eröffnete ihnen der Illuminatus, dessen Antlitz tiefe Sorge zeigte. | |||
"Bedeutet das, Domna Praiosmin war nicht Herrin ihres Willen, als sie uns hier festsetzen ließ?" mischte sich Amaros von Lindholz ein. | |||
"Das ist... möglich", antwortete Amando Laconda da Vanya zurückhaltend, "Wir werden sie befragen, sobald ihre Hochgeboren wieder bei Bewusstsein ist. Einstweilen werde ich die Reichsvögtin vertreten, bis die Schuld Domna Praiosmins geklärt ist und entsprechende Schritte eingeleitet werden konnten." | |||
Amaros nutzte das Zögern der Wachen, um sich zu der Ohnmächtigen herabzubeugen. Er wollte sehen, ob sich die Reichsvögtin an dem Dolch verletzt hatte, auf den sie gestürzt war, und gleichzeitig nach dem Schlüssel zu dem Praioskragen suchen, den diese sicher niemandem sonst anvertraut hatte. | |||
'''Nahe Burg Albacim, nachts''' | |||
In dem Augenblick als seine Mutter im Kerker zusammenbrach, ihr Geist nachgebend unter dem Widerstreit arkaner und göttlicher Einflüsse, hatte Aureolus bereits die Tore des Castillos hinter sich gelassen, zwei Packesel mit sich führend, schwer beladen mit den wertvollsten Werken aus dem Nachlass seines Vaters und einigen Vorräten für die Reise ohne festes Ziel, die ihm bevorstand. Wohin sollte er sich wenden? Gen Raschtulswall mit seinen wilden Völkern der Berge, deren Stolz nach Rache für verlorene Schlachten schrie? Oder in das Tal des Yaquir mit seinen aufstrebenden Bürgern? Wie man hörte, verkehrte selbst Alara Paligan nun in jenen Kreisen. Mochte vielleicht gar sie, die sich verzweifelt dagegen auflehnte, wie die Fäden der Macht und des Lebens ihr entglitten, für ihn greifbar sein? So oder so brauchte er neue Verbündete - Verbündete deren Geist zu manipulieren ihm weniger Gewissensbisse bereitete. | |||
Von einer Anhöhe aus blickte er ein letztes Mal auf Castillo Albacim hinab. Irgendwo hinter diesen Mauern verbrannten in einer geheimen Kammer alles, was seine Mutter mit Rakolus von Schrotenstein verband oder sie hätte diffamieren können; zumindest alles, was ihm bekannt war. Der Vorteil der steinernen, fensterlosen Kammer war zweifellos, dass kaum die Gefahr bestand, dass die Flammen übergreifen und zur Gefahr für die mächtige Festung werden konnte. Dennoch war nun der einzige Ort, den er vielleicht als Zuhause hätte bezeichnen können, für ihn verloren. Ob nun seine Mutter zu ihrem einstmals so wachen Verstand zurückfinden und die Chance erkennen würde, die sich ihr bot, oder der Wahn der letzten Stunden sie endgültig verschlingen würde: Hierher konnte er nicht hoffen zurückkehren. "Lebe wohl, Mutter", flüsterte Aureolus von Elenta, und die Silben stiegen in kleinen Wolken zwischen seinen Lippen hervor, bevor sie sich in Nichtigkeit auflösten. | |||
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