Chronik.Ereignis1033 Feldzug Transbosquirien 02: Unterschied zwischen den Versionen
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Ein Fauchen entrang sich Mordazas Kehle und riss Aureolus aus seinen Gedanken. Dann aber wandte sie ruckartig den Kopf nach rechts, und Aureolus folgte ihrem Blick zu dem aus Kreide und Tierblut auf den Boden gezeichneten Heptagramm. Schwefelgeruch mischte sich in den Gestank der Käfige, und die Luft über dem Heptagramm begann – einer plötzlichen Kälte zum Trotz – zu flimmern. | Ein Fauchen entrang sich Mordazas Kehle und riss Aureolus aus seinen Gedanken. Dann aber wandte sie ruckartig den Kopf nach rechts, und Aureolus folgte ihrem Blick zu dem aus Kreide und Tierblut auf den Boden gezeichneten Heptagramm. Schwefelgeruch mischte sich in den Gestank der Käfige, und die Luft über dem Heptagramm begann – einer plötzlichen Kälte zum Trotz – zu flimmern. | ||
Kurz darauf erschien [[Shiaz-Yol-Zobatai]], der Dämon, den Mordaza auf die Suche geschickt hatte. Das Fackellicht spiegelte sich in den schmutzig-gelb-grünen Schuppen, die seinen gedrungenen Leib bedeckten, den verwachsenen Rippenkäfig, aus dem vorne zwei beinahe menschenartige, klauenbesetzte Arme hervorgingen, hinten zwei viergeteilte dunkle Fledermausflügel, unten zwei übergroße Sprungbeine aus | Kurz darauf erschien [[Shiaz-Yol-Zobatai]], der Dämon, den Mordaza auf die Suche geschickt hatte. Das Fackellicht spiegelte sich in den schmutzig-gelb-grünen Schuppen, die seinen gedrungenen Leib bedeckten, den verwachsenen Rippenkäfig, aus dem vorne zwei beinahe menschenartige, klauenbesetzte Arme hervorgingen, hinten zwei viergeteilte dunkle Fledermausflügel, unten zwei übergroße Sprungbeine aus rohem Muskelfleisch und ein Rattenschwanz, dessen Ende scharfkantig war wie die Spitze einer Pike. Am Befremdlichsten aber war der Kopf, nicht Käfer, nicht Fisch, nicht Echse, nach hinten in einen langen Hornkamm auslaufend, mit flossenartigen Fortsätzen an den Seiten, grünen, tödlich spitzen, gedrehten Hörnern und schräg gestellten, roten Augen. Schwefeldampf stieg aus dem kurzen, nach unten gebogenen Rüssel. In seinen Klauen hielt das Wesen blutbeflecktes Papier. | ||
Shiaz-Yol-Zobatai machte einen Satz vorwärts und prallte in der Luft gegen eine unsichtbare Barriere. Blaue Funken knisterten, und die Luft war erfüllt von einem metallisch-stechenden Geruch, als hätte ein Blitz in der Nähe eingeschlagen. Das Wesen gab einen Laut von sich, so schrill und hoch, dass er kaum hörbar war, nur ein reißender, kaum erträglicher Schmerz in den Ohren. Es schlug mit dem hornbewehrten Schwanz um sich, wieder | Shiaz-Yol-Zobatai machte einen Satz vorwärts und prallte in der Luft gegen eine unsichtbare Barriere. Blaue Funken knisterten, und die Luft war erfüllt von einem metallisch-stechenden Geruch, als hätte ein Blitz in der Nähe eingeschlagen. Das Wesen gab einen Laut von sich, so schrill und hoch, dass er kaum hörbar war, nur ein reißender, kaum erträglicher Schmerz in den Ohren. Es schlug mit dem hornbewehrten Schwanz um sich, wieder stoben Funken, Blitze tanzten um das Heptagramm. | ||
"Lass die Briefe fallen und verschwinde!", befahl Mordaza schneidend. "Dein Auftrag ist erfüllt." | "Lass die Briefe fallen und verschwinde!", befahl Mordaza schneidend. "Dein Auftrag ist erfüllt." | ||
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"Er hätte mich ''nicht'' zerrissen", erwiderte Aureolus ärgerlich. | "Er hätte mich ''nicht'' zerrissen", erwiderte Aureolus ärgerlich. | ||
"Nein?", fragte Mordaza, und | "Nein?", fragte Mordaza, und neuerlich schnellte ihr Arm vor, tentakelartig, schlang sich um seinen Hals, drückte ihn mit übermenschlicher Kraft zu Boden, sein Gesicht fingernah über den Steinplatten. "Du bist ein Nichts, kleiner Ramin", sagte sie, "ein widerlich einfältiger Niemand." Sie kniete neben ihm nieder, während er noch immer unfähig war, sich zu rühren, ihr scheinbar knochenloser Arm ihn würgte. Sanft strich sie über sein Haar, sein Gesicht. "Mein armer, kleiner Ramin", flötete sie mitleidig. "Wie gut, dass er so eine liebevolle Herrin hat, die ihn – so weise! – ein wenig arbeiten lässt, wo er sicher ist vor seiner eigenen Dummheit." | ||
"Ihr seid ... nicht ... meine ... Herrin!", stieß Aureolus atemlos hervor. | "Ihr seid ... nicht ... meine ... Herrin!", stieß Aureolus atemlos hervor. | ||
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'Ganz bestimmt nicht', dachte Aureolus, dem fast schon übel war vor Schmerz und Atemnot. Nichts hatte dieses Monster, was er begehrte, nicht einmal, wenn sie in Wahrheit so schön wäre, wie sie sich den Anschein gab, hätte sie im Mindesten mit der Comtessa, der lieblichen Romina ... | 'Ganz bestimmt nicht', dachte Aureolus, dem fast schon übel war vor Schmerz und Atemnot. Nichts hatte dieses Monster, was er begehrte, nicht einmal, wenn sie in Wahrheit so schön wäre, wie sie sich den Anschein gab, hätte sie im Mindesten mit der Comtessa, der lieblichen Romina ... | ||
Eine plötzliche Ahnung kreischte in seinem Kopf, riss seine Gedanken fort von der Comtessa wie von einer noch heißen Feuerstelle. Sie war in seinen Gedanken, Mordaza, sie versuchte, in ihm zu lesen! Er durfte nicht, er durfte nicht, er durfte nicht, er durfte nicht an ''sie'' denken! Irgendwer anders, irgendwer anders, schnell, schnell, wer? Die [[Richeza von Scheffelstein y da Vanya|Scheffelsteinerin]]! Schön genug, glaubwürdig! Er beschwor das Bild der Frau herauf, als er sie geheilt hatte, vor Tagen auf dem Plateau über dem Lager der [[Bâni Khadr]], als er seine Hände auf ihre Brust gelegt hatte, um sie zu heilen, damit sie dem Shâr begehrenswert erschiene. Begehrenswert. Begehrenswert, ja! Er stellte sich vor, wie er sie küsste. Er hätte es tun können, hätte alles tun können, sie war ihm ausgeliefert gewesen | Eine plötzliche Ahnung kreischte in seinem Kopf, riss seine Gedanken fort von der Comtessa wie von einer noch heißen Feuerstelle. Sie war in seinen Gedanken, Mordaza, sie versuchte, in ihm zu lesen! Er durfte nicht, er durfte nicht, er durfte nicht, er durfte nicht an ''sie'' denken! Irgendwer anders, irgendwer anders, schnell, schnell, wer? Die [[Richeza von Scheffelstein y da Vanya|Scheffelsteinerin]]! Schön genug, glaubwürdig! Er beschwor das Bild der Frau herauf, als er sie geheilt hatte, vor Tagen auf dem Plateau über dem Lager der [[Bâni Khadr]], als er seine Hände auf ihre Brust gelegt hatte, um sie zu heilen, damit sie dem Shâr begehrenswert erschiene. Begehrenswert. Begehrenswert, ja! Er stellte sich vor, wie er sie küsste. Er hätte es tun können, hätte alles tun können, sie war ihm ausgeliefert gewesen - so wie er nun Mordaza, dachte er bitter - begehrenswert. Begehrenswert ... Luft! Luft! Schmerzen! Luft, bitte! | ||
Mordaza ließ ihn los und stand auf, blickte mit zusammengekniffenen Augen auf ihn herab, während er am Boden lag und seine Lungen sich schmerzhaft nach der fauligen Luft verzehrten, nach Schwefel, Rosen, Schweiß und Blut, nach Kot, Urin und Staub, egal: Luft, Luft, Luft! | Mordaza ließ ihn los und stand auf, blickte mit zusammengekniffenen Augen auf ihn herab, während er am Boden lag und seine Lungen sich schmerzhaft nach der fauligen Luft verzehrten, nach Schwefel, Rosen, Schweiß und Blut, nach Kot, Urin und Staub, egal: Luft, Luft, Luft! | ||
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"Die Briefe scheinen ihm nicht wichtig zu sein? Hat er mich ''deshalb'' all diese Mühen auf mich nehmen lassen?", fragte Mordaza hinter ihm, und der junge Zauberer war sich nicht sicher, ob es Hohn war oder Wut, Spott oder eine Drohung, die aus ihren Worten sprach. | "Die Briefe scheinen ihm nicht wichtig zu sein? Hat er mich ''deshalb'' all diese Mühen auf mich nehmen lassen?", fragte Mordaza hinter ihm, und der junge Zauberer war sich nicht sicher, ob es Hohn war oder Wut, Spott oder eine Drohung, die aus ihren Worten sprach. | ||
'Ich bin der Goldene, Sohn des Schwarzen', redete er sich ein, während er über den Kreidekreis langte, sorgsam darauf bedacht, ihn nicht zu verwischen und die Linien des Heptagramms nicht zu berühren | 'Ich bin der Goldene, Sohn des Schwarzen', redete er sich ein, während er über den Kreidekreis langte, sorgsam darauf bedacht, ihn nicht zu verwischen und die Linien des Heptagramms nicht zu berühren. Er nahm die Briefe an sich. | ||
Nichts geschah. | Nichts geschah. | ||